Inselsommer
gewöhnte ich mich im Laufe der Zeit an diese Annehmlichkeit und genoss es, nach einem langen Tag in der Galerie die Beine hochzulegen und mich nicht mit Patrick um die Aufteilung der Hausarbeit streiten zu müssen.
Kaum hatte Paula die Auslagen leer geräumt, machte ich mich ans Werk, während meine Gedanken zu Vincents Post wanderten. Der vermeintliche Brief war eine Karte gewesen, auf der nur wenige Worte standen:
Die Zeit mit dir war wunderschön, aber wie immer viel zu kurz.
Bitte gib uns beiden eine Chance. Ich weiß, dass es dir schwerfällt, dich auf mich einzulassen, aber ich spüre, dass zwischen uns etwas ist. Ich konnte es in deinen Augen sehen.
Vincent
Kaum zu glauben, dass diese Zeilen von einem Mann stammten. Noch dazu von einem, der nach außen hin eher cool wirkte und nach unserem letzten Zusammentreffen von mir und meinen Gefühlsschwankungen genervt gewesen war.
Umso größer war die Wirkung auf mich. Ja, es fiel mir schwer, mich auf ihn einzulassen, um nicht zu sagen, es erschien mir unmöglich. Das wurde mir von Tag zu Tag klarer. Auch wenn meine Gefühle gerade Achterbahn fuhren und meine eigene Unentschlossenheit mich zu zerreißen drohte, stand eines fest: Patrick war eine Konstante in meinem Leben, die mir trotz unserer momentanen Probleme Sicherheit gab. Sobald ich wieder in Hamburg war, musste ich mein Verhältnis zu Vincent klären. Doch bis dahin würde ich so tun, als hätte es die Postkarte nie gegeben.
Momentan wollte ich nichts weiter als meine Ruhe!
Um mich wieder zu erden, steckte ich all meine Energie in das Säubern der Fensterscheiben. Dabei beobachtete ich die Leute, die vor dem Büchernest vorbeiflanierten oder auf der Terrasse einen Tee tranken, serviert von der unermüdlichen Vero, die immer überall zugleich zu sein schien.
Plötzlich klopfte jemand ans Schaufenster – vor mir standen Doro und Mats. Doro grinste von einem Ohr zum anderen, und Mats hielt anerkennend den Daumen hoch.
»Das sieht mir aber gar nicht nach Urlaub aus«, bemerkte er lächelnd, nachdem ich aus der Auslage gekrabbelt war, um die beiden zu begrüßen.
»Und ich dachte, ihr beiden wolltet heute um den Ellenbogen marschieren«, entgegnete ich, verwundert darüber, wie vertraut die beiden nach nur zwei Verabredungen wirkten. »Oder seid ihr etwa schon wieder zurück?«
Doro strich sich eine Strähne ihres glänzenden Haares zurück. Die neue Frisur stand ihr wirklich gut. Immer wieder erstaunlich, was ein guter Haarschnitt und etwas Farbe alles bewirkten. Und natürlich der bewundernde Blick eines Mannes, der einen so anstrahlte wie Mats gerade Doro.
»Ehrlich gesagt hatte ich heute keine Lust, spazieren zu gehen«, erklärte Doro. Ich verkniff mir ein spöttisches Grinsen, denn wenn meine Freundin eines hasste, dann waren es ausgedehnte Spaziergänge oder Wanderungen.
Wie oft hatte sie sich darüber mokiert, dass Thomas beim Golfen derart lange Strecken zurücklegte, nur um einem
dummen, kleinen weißen Ball
hinterherzujagen.
Doro war alles andere als eine Sportfanatikerin, was sich im Laufe der Jahre ein wenig auf ihre Figur ausgewirkt hatte. Doch wenn Helen versuchte, sie zu einem neuen, hippen Sportkurs (aktuell
Zumba!
) mitzuschleppen, schmetterte Doro ihr jedes Mal energisch entgegen: »Wer Kinder hat, braucht keinen Fitnessclub!«
»Wir haben eine kleine Inselrundfahrt mit meinem Flitzer unternommen«, sagte Mats und betrachtete neugierig die Bücher, die Paula gerade mit Preisschildern versehen hatte, um sie später in die Auslage zu legen.
»Mats hat ein traumhaft schönes Alfa Cabriolet, ein echter Oldtimer«, schwärmte Doro mit verklärtem Gesichtsausdruck.
»Und Italien ist zufällig eines deiner Lieblingsländer«, ergänzte ich. »Und was habt ihr vor? Bücher kaufen oder Veros Sylter Delikatessen probieren? Heute gibt es als Tagesspezial Keitumer Sommersalat. Den werde ich nehmen, sobald ich hier fertig bin.«
Mats legte den Kopf schief und musterte mich interessiert. »Das klingt verlockend. Aber was genau verbirgt sich hinter diesem klangvollen Namen?«
»Man nehme sonnengereifte Tomaten, in Kräutern marinierten Ziegenkäse, verschiedene Blattsalate, Pinienkerne, Knoblauch und frisches Basilikum«, erklärte Vero, die wie aufs Stichwort hereinkam. »Danach fühlt man sich wie im siebten Himmel! Als Dessert empfehle ich Sylter Teecreme oder Crêpes mit Johannisbeergelee.«
»Tja, da kann man wohl nicht nein sagen«, schmunzelte Mats und wandte sich zu Doro: »Was
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