Inselsommer
Männer und Frauen besser nur befreundet sind als zusammenzuleben. Sie mag Adalbert und geht gern in seine Kurse, aber darüber hinaus ist nichts zu machen. Glaub mir, ich habe schon alles versucht und mir damit nur Ärger eingehandelt.«
Ich grinste.
Die resolute Bea war sicher keine einfache Gegnerin, wenn ihr etwas gegen den Strich ging. Und dass sie sich in ihrem Alter nicht mehr binden wollte, konnte ich gut verstehen, sosehr ich Adalbert auch mochte.
Nachdem wir gegessen und eine Weile über das Inselleben geplaudert hatten, machten wir uns auf den Heimweg.
Larissa musste am Samstag arbeiten, und ich wollte meine Reisepläne überdenken. Der Floh, den Larissa mir ins Ohr gesetzt hatte, verfehlte seine Wirkung nicht.
Als ich leise die Eingangstür des Kapitänshauses öffnete, um Bea nicht zu wecken, fand ich sie zu meiner Überraschung noch in der Küche vor. Sie saß in ihren Bademantel gehüllt am kleinen Holztisch und las mit gerunzelter Stirn im
Sylter Tagesspiegel.
»Oh, du bist ja noch wach. Kannst du nicht schlafen?«, fragte ich, immerhin war es schon Viertel nach eins.
»Ich geistere hier herum, weil wir Vollmond haben«, seufzte Bea, faltete die Zeitung zusammen und deutete auf den Stuhl gegenüber. »Außerdem braucht man in meinem Alter nicht mehr so viel Schlaf. Manche nennen das senile Bettflucht, ich bezeichne es als Geschenk. Denn man sollte die letzten Jahre seines Lebens auskosten, anstatt sie zu verschlafen, nicht wahr? Hattet ihr beide einen schönen Abend?«
Ich nickte und setzte mich.
Hier saß ich nun zum letzten Mal und plauderte mit Bea, bevor wir beide nach oben in unsere Schlafzimmer gingen.
»Wann musst du denn Sonntag los?«
Wenn es nach mir ginge, gar nicht.
»Übrigens hat dein Mann um neun Uhr angerufen, weil er dich nicht auf dem Handy erreichen konnte. Du sollst ihn so schnell wie möglich zurückrufen. Klang dringend.«
Verwundert zog ich mein Telefon aus der Handtasche.
Ich hatte es vor dem Kino ausgeschaltet und dann vergessen, wieder anzumachen.
Während Bea Teewasser aufsetzte, hörte ich die Mailbox ab. Patrick sagte, dass er bis Dienstagabend zu einer außerplanmäßigen Konferenz nach New York müsse.
Vielleicht hast du ja Lust, deinen Inselaufenthalt zu verlängern,
schlug er vor, und mein Herz machte augenblicklich einen Satz.
»Meinst du, ich könnte noch bis Mitte der nächsten Woche bleiben?«, fragte ich, während Bea uns beiden einen Melissentee kochte. Auch ein Ritual, das ich mehr als liebgewonnen hatte.
»Was für eine Frage!«, antwortete Bea in einem Ton, der mich eine Sekunde lang erschreckte. Die alte Dame konnte manchmal so streng wirken, als sei sie früher Lehrerin gewesen.
Erst als ich sah, dass sie über das ganze Gesicht strahlte, entspannte ich mich wieder. Ich blinzelte eine Träne der Rührung weg, als sie mich an ihre Brust drückte und übers Haar strich, wie früher meine Mutter.
Es war schön zu fühlen, dass ich in ihrem Haus willkommen war.
17 . Kapitel
M eine nackten Beine wurden von gurgelndem, kaltem Wasser umspült, und ich genoss trotz der Kälte jede einzelne Sekunde.
Ich war am Meer – und an einem der schönsten Orte auf der Welt. Wie gut, dass ich mir einen Ruck gegeben und den Weg Richtung Hörnum auf mich genommen hatte! In den beiden Wochen auf Sylt hatte ich kaum etwas von der Insel gesehen, weil ich viel zu gern mit Bea und Larissa zusammen war.
Während ich die Nordseeluft tief einatmete, um einen Hauch davon mit zurück nach Hamburg zu nehmen, suchte ich den Strand nach Muscheln ab.
Bislang hatte ich bis auf meine Beute aus Kampen nur einige wenige Erinnerungsstücke gesammelt. Die eher hellen Herzmuscheln mit ihrer dicken, gerippten Schale zu finden, war vergleichsweise leicht. Genauso wie die rosafarbenen baltischen Plattmuscheln, die ein wenig aussahen wie lackierte Fingernägel. Doch ich war auf der Suche nach etwas Besonderem wie Pantoffel- oder Wellhornschnecken. Begriffe, mit denen ich mich dank eines kleinen Handbuchs von Bea vertraut gemacht hatte. Unglaublich, wie viele verschiedene Muschelsorten es gab.
Überhaupt konnte man hier so viel erkunden: die Dörfer, das Morsum-Kliff, die Uwe-Düne, die
Sylter Sahara
vor List, das Zentrum Naturgewalten, die Kirche Sankt Severin, die Vogelkoje bei Kampen …
Meine nächste Station für heute war der berühmte Leuchtturm von Hörnum, in dem früher die kleinste Schule der Welt untergebracht gewesen war und in dem heute Trauungen durchgeführt
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