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Inselzauber

Inselzauber

Titel: Inselzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Engelmann
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Netz zappelt.
    »Das sind Rückenübungen«, verteidigt er sein seltsames Gebaren und begibt sich dann wieder ins Wasser, um den Sand von seinem Anzug zu spülen.
    »Hast du Lust, nach List zu GOSCH zu fahren und dort ein paar Krabben zu essen?«, fragt Marco ein wenig später, nachdem er sich umgezogen und unsere Bretter ordnungsgemäß abgegeben hat.
    »Klar«, antworte ich, weil ich schon wieder Hunger habe. Mein Anblick im Neoprenanzug ist längst vergessen.

    »Köstlich«, schwärme ich wenig später beim Genuss einer Ofenkartoffel mit fangfrischen Flusskrebsen und einem Glas Chardonnay.
    Wir sind in der Alten Bootshalle in List, am entgegengesetzten Ende der Insel. Der Hafen von List hat mittlerweile fast schon Jahrmarktcharakter, so stark ist er von Touristen frequentiert, die entweder essen und feiern wollen oder, von Dänemark kommend, hier mit der Fähre Sylt Express anlegen.
    Die Bootshalle ist ein riesiger rustikaler Raum, von schweren Holzbalken durchzogen, an denen Fischernetze befestigt sind. Die in der Mitte gelegene Bar hat Platz in einem Schiffsrumpf gefunden und ist das Herzstück des Restaurants, in dem es zugeht wie auf dem Bahnhof. Es ist furchtbar laut, im Hintergrund singt Hans Albers »Seemannsbraut ist die See«, und zu später Stunde bemüht Fiete sein Akkordeon, um die anwesenden Gäste mit weiteren norddeutschen Musikschmankerln zu erfreuen. So absurd die Szenerie auch ist, hat sie doch auch jede Menge Charme, und manchmal mag ich dieses Urige.
    »Ist das nicht total befremdlich für dich als Italiener?«, frage ich, als Marco uns einen weiteren Wein von der Bar geholt hat. Bei GOSCH gilt nämlich das Prinzip der Selbstbedienung.
    »Ein bisschen skurril ist das hier schon«, stimmt er mir zu und lacht. »Aber ab und zu finde ich so etwas ganz amüsant. Ich beobachte gern die Leute, die hier sitzen, außerdem bin ich nach wie vor der Meinung, dass man auf Sylt nirgends so gut Fisch essen kann wie hier. Apropos, irgendwie habe ich noch Appetit, wie wäre es mit ein paar Sylter Royal?«
    Obwohl die Insel quasi meine zweite Heimat ist, habe ich mich bislang davor gedrückt, Austern zu essen. Die Sylter Royal wird im Watt der Blidelsbucht vor Sylt gezüchtet und gilt als absolute Delikatesse. Bislang konnte ich mich nicht dazu durchringen, dieses glibberige Meeresgetier zu probieren, was ich Marco auch sage.
    »Ach was«, lacht er und wischt damit meine Bedenken vom Tisch. »So wie die hier zubereitet werden, merkst du gar nicht, dass es Austern sind!«
    Das erinnert mich daran, dass einige Menschen Schnecken derart mit Knoblauchsauce übertünchen, dass ich mich immer frage, weshalb um Himmels willen sie diese armen Tierchen überhaupt essen wollen, anstatt einfach nur Baguette mit Knoblauchbutter zu bestellen.
    Doch Marco lässt sich nicht von seinem Plan abbringen und verschwindet in Richtung Austernbar. Offensichtlich ist heute der Tag, an dem ich so einiges ausprobiere, was mich bislang nicht sonderlich gereizt hat. Eine Weile später weiß ich, dass Austern genauso wenig für mich in Frage kommen wie das Surfen. Trotz der würzigen Kräutersahne aus frischem Dill, Salbei und Estragon schaffe ich es kaum, ein Exemplar hinunterzuschlucken, während Marco mit höchstem Vergnügen gleich fünf davon vertilgt.
    »Sorry, aber das ist nichts für mich«, sage ich und trinke einen Schluck Chardonnay, um den salzigen Glibbergeschmack aus dem Mund zu bekommen.
    »Okay, war ja nur eine Idee«, antwortet Marco und sieht mich mit seinen braunen Augen entschuldigend an. »Scheint so, als hätte ich heute kein Händchen dafür, dir eine Freude zu machen. Tut mir leid. Bei unserer nächsten Verabredung bestimmst du, was wir unternehmen, in Ordnung?«
    Das nutze ich als Stichwort, um Marco über Mailand auszufragen. Wie erwartet, beginnt der Italiener von seiner Heimatstadt zu schwärmen, und eine Stunde später kommt es mir vor, als kenne ich jeden kleinen Winkel, jedes Bauwerk, jede Boutique und jeden Park.
    »Wenn du Lust hast, können wir für ein paar Tage dorthin fliegen. Am besten Anfang Juli, wenn mein Stipendium ausläuft. Ich habe meine Eltern seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen, und sie würden sich sicher freuen, dich kennenzulernen.«
    »Aha«, antworte ich kühl, das geht mir jetzt doch alles ein bisschen zu schnell. Schließlich habe ich Marco erst viermal gesehen. Da kann ich doch nicht gleich mit ihm nach Italien fliegen! Schon gar nicht zu seinen Eltern.
    Er scheint meine Bedenken

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