Inselzauber
ein weiteres Glas Wein ein.
»Ich möchte jetzt nicht die Pferde scheu machen, ehe du es dir nicht genau überlegt hast. Das ist keine Entscheidung, die man spontan bei einem Glas Wein treffen sollte. Immerhin geht es dabei um die Zukunft von mindestens drei Menschen. Aber solltest du dich entschließen, ja zu sagen, verspreche ich dir, dass wir eine Lösung finden werden. So, jetzt gehe ich ins Bett, es ist schon spät, und ich habe letzte Nacht sehr schlecht geschlafen. Wenn also mit dir alles so weit wieder in Ordnung ist und ich dich allein lassen kann, würde ich mich jetzt gern zurückziehen.«
»Natürlich, geh nur, ich bin kein Baby mehr«, antworte ich und gebe Bea einen Kuss. »Außerdem habe ich jetzt genug Stoff, um nachzudenken, und das kann ich nun mal am besten allein. Schlaf gut, bis morgen«, sage ich und sehe Bea dabei zu, wie sie schwerfällig die Treppe nach oben geht.
Als ich am nächsten Abend bei Nele im Möwennest sitze, weiß ich kaum, wo ich anfangen soll. Zu viel ist passiert. Das Café ist verhältnismäßig leer, was sicher daran liegt, dass es heute nach ein paar Tagen schönen Wetters mal wieder geregnet hat und kühler geworden ist. Wir brauchen unbedingt mehr Gäste, denke ich, während ich zusehe, wie Nele ein Essen serviert.
»Nun sag schon, hat deine Tante etwas in Erfahrung bringen können?«, drängt meine Freundin und sieht mich erwartungsvoll an.
Ich erzähle ihr von Beas Bauplänen, Ole und der Terrasse und zu guter Letzt von dem Vorschlag meiner Tante.
Für einen Moment ist Nele stumm, doch dann fliegt sie mir um den Hals. »Das wäre super, dann könnten wir zusammenarbeiten«, ruft sie begeistert, was der Gast irritiert zur Kenntnis nimmt. »Das ist DIE Lösung! Dass wir beide nicht selbst darauf gekommen sind.« Meine Freundin ist nun kaum mehr zu bremsen und schwelgt in der Vorstellung davon, wie unser künftiges Leben als Geschäftsführerinnen des Büchernests aussehen könnte. »Mit dir zusammen kann ich es schaffen, das weiß ich«, jubelt sie.
Ich habe Mühe, sie in ihrer Euphorie zu bremsen. »Moment mal, Nele. Noch ist nichts entschieden. Ich weiß doch noch gar nicht, ob ich das überhaupt machen will. Wozu habe ich denn die Ausbildung im Hotel gemacht? Selbst wenn ich mich dazu entschließen sollte, gibt es da immer noch das Problem mit Birgit Stade und der Finanzierung. Und beides ist nicht ganz unerheblich.«
»Okay, okay«, murmelt Nele und senkt den Kopf. »Du hast recht. Natürlich wünsche ich mir nichts sehnlicher, als dass wir das alles hier gemeinsam machen könnten. Ich weiß, dass wir toll zusammenarbeiten würden, weil wir unterschiedliche Stärken haben und uns gut ergänzen. Aber in erster Linie ist es wichtig, dass DU das alles auch wirklich willst. Selbst wenn du bleiben würdest, haben wir immer noch das Finanzproblem.«
»So ist es«, seufze ich.
»Okay, dann warte ich also ab, wie du dich entscheidest und was Bea noch in Erfahrung bringt. Vielleicht haben wir Ende der Woche genug Munition, um Frank Degenhard den Mund zu stopfen. Bis dahin werde ich eben noch ein bisschen arbeiten und nachdenken, und du wirst wohl dasselbe tun. Oder hast du noch ein Date mit Marco, von dem ich nichts weiß?«, fragt Nele und ist damit sofort wieder bei ihrem Lieblingsthema: Männer.
»Nein, habe ich nicht«, antworte ich trübsinnig, weil Marco sich immer noch nicht gemeldet hat.
»Warum rufst du ihn nicht einfach an?«, fragt Nele. »Sei doch nicht so kompliziert! Wer weiß, vielleicht starrt er auch alle fünf Minuten auf sein Handy und wartet darauf, dass du dich bei ihm meldest. Immerhin sind bislang alle Verabredungen auf seine Initiative hin entstanden. Vermutlich möchte er jetzt, dass du dich ebenfalls ein bisschen in Bewegung setzt. Und zwar in seine Richtung.«
Nele hat recht, denke ich. Bislang ist in der Tat alles von Marco ausgegangen. Wo steht eigentlich geschrieben, dass Frauen darauf warten müssen, bis Männer sich bei ihnen melden? Aus dem Zeitalter sind wir Gott sei Dank lange raus. »Ich rufe ihn morgen an, wenn ich bis dahin nichts von ihm höre«, verspreche ich mehr Nele als mir selbst, und damit wenden wir uns dem Thema Alexander Herzsprung zu, der nach dem Wochenende verschollen zu sein scheint.
»Warum rufst du ihn nicht einfach an?«, frage ich, um meine Freundin zu ärgern.
»Wenn er sich bis morgen nicht meldet, mache ich das«, antwortet Nele, und wir müssen beide lachen.
Donnerstagvormittag hat Bea eine grobe
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