Inselzauber
Kalkulation für den Umbau erstellt, nachdem sie mit der Hausverwaltung, einem Architekten, einer Glaserei und der Holzhandlung telefoniert hat.
»Nun kennen wir in etwa die Kosten, aber was die Bank noch mehr interessiert, ist das Konzept, mit dem wir das neue Möwennest in die schwarzen Zahlen bringen wollen«, sagt sie am Telefon, während ich in der Bücherkoje stehe. »Am besten setzen wir drei uns heute Abend noch mal zusammen und brainstormen ein wenig, was wir an Veranstaltungen durchführen, was wir noch verbessern könnten und was das in etwa an Umsatz bringt. Dann müssen wir das Ganze in einen Businessplan umwandeln, den Nele am Freitag der Bank vorlegt.«
Ich muss grinsen, weil die Wörter »brainstormen« und »Businessplan« so gar nicht zum Vokabular meiner Tante passen, die aus Achtung vor der deutschen Sprache schon immer Amerikanismen aller Art abgelehnt hat.
»Wie ist es gelaufen?«, frage ich aufgeregt, als Nele von ihrem Banktermin zurückkommt und in der Bücherkoje vorbeisieht. Ich versuche den Gesichtsausdruck meiner Freundin zu deuten und hoffe inständig, dass sie erfolgreich war.
»Gut«, antwortet sie und spielt an den Postkarten herum, die am Tresen verkauft werden.
»Mehr hast du dazu nicht zu sagen?«, frage ich aufgebracht und ziehe sie zur Seite, damit Birgit Stade nichts mitbekommt.
Wir haben beschlossen, zunächst einmal alle Pläne im Zusammenhang mit dem Büchernest vor der ersten Sortimenterin geheim zu halten, um sie nicht unnötig zu verunsichern.
»Haben Sie Geheimnisse vor mir?«, fragt meine Kollegin prompt, während ich Nele nach draußen eskortiere, weil ich weiß, dass sie dazu neigt, sehr laut zu sprechen, wenn sie aufgeregt ist. Dass sie das ist, steht außer Frage, wenn ich sie mir so ansehe.
»Also wie gesagt: Alles in allem ist es gut gelaufen, und Frank Degenhard ist nicht abgeneigt, uns zu helfen, aber er knüpft natürlich einige Bedingungen an die Kreditverlängerung. Zum Beispiel braucht er mehr Sicherheiten, als wir sie ihm derzeit bieten können. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass deine Tante einen guten Ruf hat und ebenfalls Kundin bei der Sylter Sparkasse ist. Kommt doch beide heute Abend bei mir zu Hause vorbei, dann erzähle ich euch alles in Ruhe, okay? Jetzt muss ich nämlich dieses Café öffnen, solange ich es noch habe.«
Ich sage zu und gehe wieder zurück in die Buchhandlung.
Der Tag zieht sich wie Kaugummi, und ich streiche mehrmals um mein Handy herum. Obwohl ich Marco genauso gut anrufen könnte, hält mich irgendetwas davon ab, es zu tun.
»Hallo, Lissy, wie geht’s? Lust, noch eine Runde schwimmen zu gehen?«, unterbricht Leons Stimme meine Gedanken.
Schnell schließe ich die Schublade, in der mein Mobiltelefon liegt. »Hi, Leon«, antworte ich und nehme ihm die Zeitschriften ab. »Frag das mit dem Schwimmen lieber Paula, die hat sich wohl vollkommen in dich verknallt«, sage ich und kassiere.
Dass Paula mir am Morgen nach dem Schwimmbadbesuch einen selbstgepflückten Blumenstrauß mitgebracht und ihn mir mit einem »Danke schön« beim Frühstück überreicht hat, verschweige ich, denn das ist ein Geheimnis zwischen der Kleinen und mir.
»Das ist aber dumm«, antwortet Leon lachend und erklärt mir auf mein fragendes »Wieso? Bist du jetzt anderweitig vergeben?«, dass dem durchaus so sein könne.
Aha, denke ich, das ging ja schnell. Ob Julia weiß, dass er sie bereits ersetzt hat? »Wie geht es eigentlich Julia? Hat sie sich gut in Berlin eingelebt, oder sprecht ihr nicht mehr miteinander?«, höre ich mich auf einmal fragen und habe keine Ahnung, welcher Teufel mich da reitet.
»Ich weiß es nicht, und es ist mir ehrlich gesagt auch egal«, lautet Leons genervte Antwort, und ich könnte mich dafür ohrfeigen, dass ich damit angefangen habe. »Wenn wir gerade dabei sind. Wie geht es eigentlich Marco Nardi?«, fragt Leon und funkelt mich angriffslustig an.
Für einen Moment bin ich verwirrt. Wieso fragt Leon das? Weiß er, dass ich Kontakt zu Marco habe, oder fragt er nur ins Blaue hinein? »Keine Ahnung«, antworte ich wahrheitsgemäß und versuche mich damit aus der Affäre zu ziehen.
»Ach? Hat er sich nach eurem Rendezvous in der Sturmhaube etwa nicht mehr bei dir gemeldet?«, bohrt Leon weiter.
Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte ich schwören, dass Eifersucht in seinen Worten mitschwingt. »Woher weißt du davon?«, frage ich, neugierig zu erfahren, wer uns beide da wohl beobachtet hat.
»Ich habe
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