Inselzirkus
Taschengelderhöhung anbot, nur damit sie endlich auf seine Ansprache reagierte, rang er sich nur ein ausdrucksvolles Seufzen ab.
Was hätte Lucia an seiner Stelle getan? Sich lauthals ereifert, Drohungen ausgestoÃen und den Himmel gefragt, warum sie mit dieser Tochter gestraft war? Keine dieser Möglichkeiten kam für Erik in Betracht. Deswegen belieà er es dabei, demonstrativ seinen Schnauzer glatt zu streichen, den Pullunder mit einer energischen Bewegung so weit hinabzuziehen wie möglich und den Oberkörper derart gebieterisch aufzurichten, als rüste er sich für ein Referat über Erziehungsfragen. Für Carolin hatte es nie eines heftigeren Temperamentsausbruchs bedurft, um ihr klarzumachen, was von ihr erwartet wurde, während Felix solche Nuancen nicht einmal zur Kenntnis nahm.
Ohne sich zu vergewissern, wie seine Missbilligung auf Carolin gewirkt hatte, wandte Erik sich wieder an Sören. »Vetterich hat die Fingerabdrücke auf Laptop und Kamera untersucht. Er sagt, drei Personen hätten die Geräte in Händen gehabt. Max Triebel selbst natürlich, unsere ehrliche Finderin und eine weitere Person.«
»Eine, die nicht zu Eidam-TV gehört?«, fragte Sören.
Erik nickte. »Dieselbe Person, die auch in Triebels Apartment eingestiegen ist. Und dieselbe Person, die Bruce Markreiters Schrankfach geöffnet hat. Sie muss die Pistole aus Markreiters Zirkuswagen gestohlen und Max Triebel erschossen haben. Danach ist sie in sein Apartment eingedrungen und hat Laptop und Kamera gestohlen.«
»Dann hat sie sich damit in die Dünen vor List gesetzt und die Festplatte und den Kameraspeicher gelöscht.«
»Warum ist sie dafür extra nach List gefahren?«
Sören zuckte die Achseln. »Den Täter zieht es an den Tatort zurück.«
»Und warum hat sie beides in den Dünen liegen lassen?«
»Weil sie dachte, dass jemand, der Laptop und Kamera findet, die Sachen mitnimmt und sich freut, dass er billig an so wertvolle Sachen kommt.«
Erik lehnte sich zurück und schloss kurz die Augen. »Dann merkt sie, dass Bruce Markreiter von dem Chefautor ebenfalls unfreundlich behandelt wird. Also muss sie ihren Schwarm auch von ihm befreien. Sie zieht ihm die Hose aus â¦Â« Erik lieà den Satz schweben, verzichtete darauf, ihn zu vollenden und sah Sören fragend an.
Der winkte ab, den Rest wollte er nicht hören. »Okay, meine Theorie ist wackelig.«
»Und die Fingerabdrücke, die Vetterich auf dem Laptop und der Kamera gefunden hat, decken sich nicht mit denen, die am Kulissenschrank gesichert wurden.«
»Das könnte bedeuten, dass die Stalkerin nur Max Triebel auf dem Gewissen hat. Mit Harry Jumperzâ Tod hat sie nichts zu tun.«
Erik wurde ärgerlich. »Wir waren so froh, dass wir endlich einen Zusammenhang zwischen den beiden Todesfällen gefunden hatten! Manchmal befürchte ich, Sören, dass diese beiden Fälle wirklich nichts miteinander zu tun haben. Dass sie nur zufällig zur gleichen Zeit auf Sylt geschehen sind und nur zufällig beide zu Eidam-TV geführt haben.«
Mamma Carlotta kehrte in die Küche zurück, ein Lächeln auf den Lippen, womit sie den anderen weismachen wollte, dass sie nichts Unrechtes getan hatte.
Aber Erik bemerkte nichts davon. Er sah seine Schwiegermutter hoffnungsvoll an. »Hast du deine neue Handynummer schon nach Umbrien durchgegeben? Ruft die Familie jetzt auf deinem Handy an? Werde ich nicht mehr mitten in der Nacht aus dem Bett geklingelt, weil irgendeine deiner Cousinen vergessen hat, dass man auf Sylt früher schlafen geht als in Italien?«
Wie zu erwarten, verteidigte Mamma Carlotta ihre Verwandtschaft ausgiebig, lautstark und so lange, bis Erik an die Frage, wer seine Schwiegermutter auf ihrem Handy angerufen hatte, nicht mehr dachte. Zum Glück war er immer leicht zu verwirren, wenn sie in einem einzigen Satz mehr als drei Cousinen erwähnte, an die er sich nicht erinnern konnte. Und wenn sie dann noch die Namen von zwei GroÃtanten einflocht und den Geburtsnamen ihrer Mutter, entstand in Eriks Kopf ein solches Durcheinander, dass er froh war, wenn er das Thema wechseln durfte.
Als es so weit war, stellte sie zufrieden die Suppenteller zusammen, trug sie zur Spüle und versteckte sich so lange hinter ihren hausfraulichen Tätigkeiten, bis sie sicher sein konnte, dass niemand sie mehr in Verlegenheit bringen
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