Inselzirkus
Dieses konstruierte Alibi ist der Beweis. Wir müssen es nur noch hieb- und stichfest machen.« Als Erik nicht antwortete, fragte er beunruhigt: »Sind Sie etwa anderer Meinung, Chef?«
Erik riss sich zusammen und schüttelte den Kopf. »Nein, Sie haben recht, Sören. Wer sich ein Alibi kauft, hat etwas zu verbergen. Jetzt brauchen wir nur noch sein Geständnis, und dann â¦Â« Erik seufzte, erhob sich und streckte seine Glieder. »Dann müssen wir endlich im Fall Harry Jumperz weiterkommen.«
Die Kälte hielt die Nacht noch nicht umklammert. Sie näherte sich ihr bereits, hatte aber noch keine Gewalt über sie. Die Luft war frisch und klar, die Nachtschwärmer waren nicht aufgebrochen, die Tagträumer gaben gerade erst das Träumen auf.
Mamma Carlotta schob das Fahrrad aus dem Schuppen und warf einen Blick zu den Fenstern in der ersten Etage. In beiden Kinderzimmern brannte Licht. Felix hockte mit einem Freund vor dem Computer, angeblich suchten die beiden nach Lösungen für ein Problem, das sich im Physikunterricht aufgetan hatte, und Carolin trank mit zwei Klassenkameradinnen Tee. Beiden Kindern hatte Mamma Carlotta kurz und bündig mitgeteilt, sie wolle sich mit ihren neuen Freundinnen treffen, den drei Schauspielerinnen von »Liebe, Leid und Leidenschaft«. Weder Carolin noch Felix waren auf ihre Erklärung eingegangen, aber sie vertraute darauf, dass sie sie unbewusst gespeichert hatten und Erik notfalls erklären konnten, warum ihre Nonna nicht zu Hause war.
Der kalte Wind war eingeschlafen. Am Nachmittag hatte er noch dafür gesorgt, dass der Frühling sich nirgendwo niederlassen konnte. Jetzt schien er auf jedem Ast zu hocken und an dem blauen Band zu weben, das schon am nächsten Tag durch die Lüfte flattern konnte, wenn es ein windstiller Tag sein würde.
Sie hatten sich in Käptens Kajüte verabredet. Tove wollte schon gegen neun das Schild mit der Aufschrift »Geschlossen!« an die Tür hängen, damit kein später Gast ihre Pläne durchkreuzen konnte.
Mamma Carlotta schob ihr Fahrrad um die Imbissstube herum und stellte es vor der Küchentür ab, die in den Hof führte. Leise klopfte sie ans Küchenfester und wurde kurz darauf eingelassen. Fietje saà an der Theke, trank sein Jever, im Gastraum brannte nur ein winziges Licht, die Fensterläden waren bereits geschlossen. Tove hatte wirklich alles getan, um zu verhindern, dass irgendein verirrter Nachtschwärmer an seine Tür klopfte und um eine Bratwurst bat.
»Busso wartet an der Friesenkapelle auf uns«, sagte Tove, schenkte Mamma Carlotta einen Rotwein aus Montepulciano ein und sich selbst einen Genever. Wohl um sich Mut zu machen, erzählte er wieder einmal von der Zeit, als er zur See gefahren war und nach einem Schiffbruch vor Gibraltar als Einziger schwimmend das Land erreicht hatte. Danach schien er sich wieder daran erinnern zu können, dass er ein groÃer, starker Kerl war, der es mit einem Bösen Huhn leicht aufnehmen konnte.
»Sogar mit allen drei«, prahlte er nun.
Mamma Carlotta sah ihn erschrocken an. »Sie meinen, es könnten auch alle drei gewesen sein?«
Nein, das hatte Tove nicht gemeint. Und der Gedanke erschreckte ihn so sehr, dass er einen weiteren Genever brauchte. »Wäre das denn möglich, Signora?«
Mamma Carlotta dachte nach. »Könnte ja sein, dass sie sich einig waren und gemeinsam zurückgegangen sind, um Jumperz den Rest zu geben. Und nun schiebt eine die Schuld auf die andere, damit ich der Wahrheit nicht auf die Spur komme. Anscheinend trauen die drei mir nicht.«
»Weil Sie die Schwiegermutter von Hauptkommissar Wolf sind«, bestätigte Fietje.
Tove dachte scharf nach. »Drei auf einmal?« Er betrachtete Fietje und Mamma Carlotta eingehend, dann befand er, dass deren Muskelkraft nicht ausreichte, um auch nur eine einzige Frau festzuhalten, die sich mit aller Kraft wehrte. »Dann nehme ich zwei in den Schwitzkasten, und wenn sie zucken, schlage ich ihre Köpfe aneinander. Das wirkt immer. Ihr beide nehmt euch dann gemeinsam die Dritte vor. Das müsste klappen.«
Mamma Carlotta spürte eine Gänsehaut auf ihrem Rücken. »Niemandem darf etwas zustoÃen«, schärfte sie Tove ein. »Damit würden wir alles noch schlimmer machen.«
»âºMord im Orient-Expressâ¹Â«, murmelte Fietje. »Da haben auch mehrere Leute gemeinsam einen
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