Inselzirkus
Ich weià nicht einmal, wie Maxâ Laptop und seine Kamera aussahen.«
Erik erhob sich und machte ein paar Schritte auf und ab. Sören kam ins Zimmer zurück und nickte ihm zu. Alina hatte offenbar die Wahrheit gesagt, was Max Triebels Anstellung bei der Berliner Tageszeitung betraf.
Erik beschloss, Alina Olsted aus der Reserve zu locken, indem er auf ihre Vergangenheit als Prostituierte zu sprechen kam. Aber er stockte, als er ihren Gesichtsausdruck sah. Sie wirkte mit einem Mal sehr nachdenklich. Was ging in ihrem Kopf vor? Intuitiv beschloss er abzuwarten. Er blickte gespannt in ihr Gesicht. So lange, bis sie sagte: »Mir fällt da gerade was ein â¦Â«
Der Radweg nach Kampen, den tagsüber viele benutzten, lag verlassen da. Wer etwas erleben wollte, war nach Westerland oder Kampen gefahren. In den benachbarten Häusern war es ruhig, in einigen waren bereits die Lichter ausgegangen. Der Wachdienst hatte auf seiner Runde vor wenigen Minuten im Inselzirkus haltgemacht. In dem Bürowagen, in dem es vorher dunkel gewesen war, brannte nun ein kleines Licht, das der Wachmann eingeschaltet hatte.
Tove schnaufte, als wollte er sich zur Ruhe zwingen. Fietjes Atem dagegen vibrierte, hell und pfeifend. Ihm fiel das Stillsitzen schwer. Unter seinen FüÃen raschelte es häufig, wenn er sie bewegte, über seinem Kopf schwankten die Zweige der Büsche, wenn er seine Haltung veränderte.
»Gib Ruhe«, zischte Tove.
Fietjes Atem fiepte erschrocken, dann schien er ihn für eine Weile anzuhalten.
Als der Wind in die Gräser des Feldes griff, das zwischen der Kapelle und dem Inselzirkus lag, blieb ein Nachhall zurück. Als hätte jemand das Rauschen genutzt für ein Räuspern, ein Husten oder einen Schritt. Mamma Carlotta merkte, wie Toves Oberkörper sich aufrichtete, wie er erstarrte. Er hatte es also auch gehört. Sie waren nicht mehr allein mit Busso, der zwanzig Meter entfernt auf seiner Decke lag und sich nicht rührte.
Vorsichtig schob Mamma Carlotta die Zweige auseinander und spähte zu seinem Lagerplatz. Niemand war zu sehen. Niemand, der sich über seinen Einkaufswagen beugte. Doch dann eine plötzliche Bewegung, die nicht vom Wind herrührte. Der Zweig eines niedrigen Baums, der sich neigte und zurückschnellte. Als hätte er sich in einem Kleidungsstück verfangen und sich gewaltsam gelöst. Ein unterdrücktes Husten. Sie hörte Schritte, die langsamer wurden, leiser, als sollten sie nicht gehört werden. Und dann das Schmatzen einer Schuhsohle auf feuchtem Gras.
Mamma Carlotta fühlte, wie ihr der Schweià ausbrach. Wo war die Gefahr? Ãberall schien es Geräusche zu geben, die nicht in diese Nacht passten. In ihrer Nähe, in Bussos Nähe, an jedem Ende des Zauns. Und nun ein heller, ganz schwacher metallischer Klang. Kaum hörbar, aber doch ein Fremdkörper, eine feine Disharmonie.
Sie schob die Zweige noch weiter auseinander. Ihrem Gehör traute sie nicht mehr. Je mehr sie die Ohren spitzte, desto schwieriger wurde es, ein Geräusch vom anderen zu unterscheiden, die Gefahr zu ermessen, die Täuschung zu erkennen. Sie musste ihre Augen zur Hilfe nehmen.
Aber auch sie lieÃen sich täuschen. Was hatte sie gesehen? Eine Bewegung am Zaun? Oder nur den Scheinwerfer eines Autos, das über die Brücke fuhr und in einer Ecke des Zauns ein winziges Schimmern erzeugte? Immer wieder! Bei jedem Auto, das nach Kampen fuhr.
Dann aber gab es keinen Zweifel. Das Knacken von Zweigen, ein Rascheln, eine deutliche Bewegung im Buschwerk. Mamma Carlotta spürte, dass Tove sie ansah. Mit einem winzigen Nicken deutete sie zum Gebüsch, aus dem sich gerade ein Schuh hinausschob. Im Auseinanderbiegen der oberen Zweige meinte sie zwei Hände zu sehen. Nun wusste sie, wo das Böse Huhn saÃ, das es auf Busso abgesehen hatte. Jetzt musste sie nicht nur herausfinden, um wen es sich handelte, sondern vor allem verhindern, dass Busso zu Schaden kam. Wer dieses Handy unbedingt in seinen Besitz bringen wollte, würde womöglich auch vor Gewalt nicht zurückschrecken, wenn er es nicht fand. Und er konnte es nicht finden!
Auch Fietje, der hinter Tove und Mamma Carlotta in Deckung blieb, wurde nun aufmerksam. Zwar gab er nach wie vor keinen Laut von sich, aber Mamma Carlotta spürte, wie er sich vorbeugte und dieselbe Witterung aufnahm.
Die Gestalt im Gebüsch schien ihre Umgebung genau zu
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