Inselzirkus
beobachten. Anscheinend wollte sie ganz sicher sein, dass es keine Zeugen gab, wenn sie sich Busso näherte. Vielleicht ahnte sie auch, dass sie in eine Falle tappen könnte. Mamma Carlotta hoffte, dass es Heidi war, die sich nun Zentimeter für Zentimeter aus dem Gebüsch löste. Heidi hatte Probleme mit den Knien, sie war nicht sonderlich sportlich und würde leicht einzuholen sein. Beate dagegen joggte jeden Tag, um in Form zu bleiben, sie zu verfolgen war sinnlos. Aber es würde reichen zu wissen, dass sie die Schuldige war. Tove und Fietje hätten dann Gelegenheit, mit einer Aussage ihren Ruf bei der Westerländer Polizei zu verbessern.
»Es ist so weit«, flüsterte sie Tove zu.
Er nahm eine Position ein, als wollte er für einen Hundertmeterlauf starten. Nach reiflicher Ãberlegung hatten sie beschlossen, dass es Tove sein musste, der die Täterin verfolgen und sie festhalten würde. Fietje bewegte sich schon seit Jahren nur langsam und schleppend voran, weil die Eile längst nicht mehr zu seinem Leben gehörte, und kam daher für eine Verfolgungsjagd nicht infrage. Mamma Carlotta glaubte zwar, dass die steilen Gassen ihres Dorfes für eine gute Kondition gesorgt hatten, doch sie machte sich keine Illusionen, wenn es darum ging, eine jüngere Frau zu verfolgen, die auÃerdem gut trainiert war. Wenn sie den Ãberraschungseffekt ausnutzten, könnte es gelingen. Und wenn Tove sein Opfer erst in den Fingern hatte, würde es kein Entrinnen mehr geben.
Sie schien blond zu sein, das erkannte Mamma Carlotta, als das Mondlicht auf das Haar der Frau fiel. Also Heidi Schirrmacher! Das machte die Sache leichter.
Mamma Carlotta spannte ihren Körper an und fühlte, dass Tove dasselbe tat. An Fietje dachte sie nicht, sie hatte ohnehin den Verdacht, dass er auf groÃen Abstand bedacht sein würde, damit er sich notfalls ungesehen verdrücken konnte, wenn es gefährlich wurde.
Sie starteten gleichzeitig, und Mamma Carlotta stellte verblüfft fest, dass sie schneller in die Höhe gekommen war als Tove und ihm im Nu einige Schritte voraus war. Der kleine Aufschrei in ihrem Rücken lieà sogar befürchten, dass Tove schon beim ersten Schritt von einem Zipperlein aufgehalten worden war.
Doch nun gab es kein Zurück mehr. Zwar merkte sie schnell, dass sie alles falsch angefangen hatte, dass sie zu früh losgelaufen war, dass die Entfernung zu groà war, dass sie der anderen damit einen Vorsprung überlieÃ, der nicht aufzuholen war. Denn die Frau, die nun zur Flucht ansetzte, war jung und schnell. Das konnte nicht Heidi sein. Kristin und Beate genauso wenig.
Kurz bevor ihre Gestalt vom tiefen Schatten der Leichtbauhalle verschluckt wurde, warf sie einen Blick zurück, und in diesem Moment erkannte Mamma Carlotta sie. Es war Sandra Zielcke!
»Ich habâs ja gleich gewusst«, sagte Erik, während sie nach Wenningstedt fuhren. »Mit der Zielcke stimmt was nicht.«
Sören dagegen schien noch immer nicht daran glauben zu können, dass eine so hübsche Frau wie Sandra Zielcke sie eiskalt belogen hatte. »Woher wollen Sie wissen, dass Alina Olsted die Wahrheit sagt?«
»Ihre Erklärungen schienen mir glaubhaft. Die Zielcke wollte den Verdacht auf Alina Olsted lenken. Sie hat dafür gesorgt, dass sie beides zur Hand nahm, Laptop und Kamera. Ganz schön raffiniert. Wie oft hat man das schon erlebt, dass man gebeten wird, mit einer fremden Kamera ein Foto zu machen! Würden Sie daran denken, dass Sie Ihre Fingerabdrücke hinterlassen?«
Sören schüttelte widerwillig den Kopf. »Und dann lässt sie das Laptop in den Sand fallen und wartet, bis Alina Olsted es aufhebt.«
»Sie hatte weder Laptop noch Kamera bisher gesehen. Und sie konnte gar nicht wissen, dass es sich um Max Triebels Eigentum handelte, weil er Laptop und Kamera immer in den Taschen aufbewahrte.«
»Deswegen auch ihr Gerede von der Stalkerin! Auch das, um den Verdacht auf Alina Olsted zu lenken.«
»Groà und schlank wie Alina Olsted. Mit einem Leberfleck, wie Alina Olsted ihn hat. Und aus Berlin stammt sie, auch wie Alina Olsted.« Erik war jetzt so aufgeregt, wie Sören ihn selten erlebte. »Erinnern Sie sich, wie sie uns auf dem Rückweg von Wonnemeyer gesagt hat, sie erkenne eine Berlinerin auch dann, wenn sie hochdeutsch spricht? Ich bin sicher, Max Triebel hat zu ihr kein Wort von einer Stalkerin
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