Inselzirkus
bildet sich die Waschhaut am ehesten. Das beginnt fünf bis sechs Stunden nach dem Tod. Nach etwa vierundzwanzig Stunden ist sie voll ausgebildet.«
Er machte Anstalten, Erik die Waschhaut zu zeigen, aber der lehnte so entsetzt ab, dass Dr. Hillmot sich zu verbalen Erläuterungen genötigt sah. »Diese Runzelbildung der Haut entsteht durch Quellung der Hornschicht. Sie tritt frühestens eine halbe Stunde nach Eintritt des Todes ein und ist abhängig von Wassertemperatur und Talgüberzug der Haut. Erst nach rund zwei Wochen löst sich die Haut dann von den Händen und FüÃen â¦Â«
Erik wehrte ab. »Danke, das reicht! Was heiÃt das im Klartext?«
»Dass der Mann letzte Nacht erschossen und ins Wasser geworfen wurde. Eine genauere Zeitangabe bekommen Sie morgen. Vielleicht!«
Erik sah den Gerichtsmediziner dankbar an. Morgen würde er sich alles anhören, was es über Wasserleichen zu sagen gab, und mit keiner Silbe zu verstehen geben, dass das Nervenkostüm eines Kriminalhauptkommissars sensibler war als das eines Gerichtsmediziners, den keine noch so abschreckende Einzelheit mehr aufwühlte.
»Gibt es Hinweise auf die Identität des Toten?« Erik blickte sich um. Die Männer von der KTU â oder zumindest die, die dazu in der Lage waren â suchten noch immer die Gegend ab. Bisher anscheinend ohne Erfolg. »Trug er was bei sich? Brieftasche mit Ausweis und Führerschein?«
Dr. Hillmot reichte Erik mehrere Visitenkarten. »Die hatte er in seiner Jackentasche. Ein gutes Dutzend! Also werden es wohl seine eigenen sein, die er immer griffbereit haben wollte.«
Die Visitenkarten steckten bereits in einer Plastikhülle, aber Erik konnte den Aufdruck trotzdem gut erkennen. »Max Triebel, Journalist. Von der Zeitschrift Blitz.« Erik runzelte die Stirn. »Dieses Skandalblatt?«
Dr. Hillmot zuckte mit den Schultern. »Die sind oft sogar schneller als die Bild-Zeitung.«
Die Kantine hatte sich geleert. Ein AuÃendreh sollte noch in der Abenddämmerung gemacht werden, eine letzte Szene sogar bei Dunkelheit. Obwohl nur zwei Schauspieler dafür gebraucht wurden, hatten mindestens zwanzig Personen ihre Kaffeetassen zur Seite gestellt, als der Aufnahmeleiter zum Aufbruch mahnte. Mamma Carlotta begann zu ahnen, dass nicht nur der materielle, sondern auch der personelle Aufwand für eine Fernsehproduktion gewaltig war.
Felix und Carolin hatten auf Geheià der Casting-Chefin die Halle verlassen, Felix voller Vorfreude auf die hundert Euro, die er verdienen würde, Carolin war dagegen eher gedämpfter Stimmung. Obwohl alles gut ausgegangen war, wollte sie ihrer Nonna den Angriff auf den Chefautor noch nicht verzeihen. Und dass Mamma Carlotta sogar eine kleine Sprechrolle erhalten hatte, nahm sie ihr auch übel. Unter diesen Umständen war sie nicht bereit, auf die Frage ihrer GroÃmutter zu antworten, ob sie rechtzeitig zum Abendessen zu Hause sein würde und ob sie bereit war, den Speck zu würfeln, damit es später mit der Carbonara-SoÃe für die Pasta schneller ging. SchlieÃlich konnte sich die Beratung über Mamma Carlottas Einsatz für »Liebe, Leid und Leidenschaft« länger hinziehen und die Zeit für die Essensvorbereitungen knapp werden.
Carolin verlieà den Raum, als wollte sie sich auf die Suche nach dem Chefautor machen, um sich bei ihm für ihre GroÃmutter zu entschuldigen. Mamma Carlotta wäre ihr gerne gefolgt, um sie zu versöhnen, aber Tanja Möck wollte unbedingt ihre Personalien festhalten, und die Casting-Chefin brauchte eine Antwort auf die Frage, warum Carlotta Capella kein Handy besaÃ.
»Gibt es im Hause Ihres Schwiegersohns kein altes Handy«, fragte Tanja, »das nicht mehr benutzt wird? Da können Sie eine Prepaidkarte reinstecken.«
Mamma Carlotta hatte keine Ahnung, was eine Prepaidkarte war, aber dass Erik im Wohnzimmerschrank ein altes Handy aufbewahrte, das durch ein neuzeitliches mit vielen überflüssigen Funktionen ersetzt worden war, das wusste sie genau.
Die drei Schauspielerinnen, die am Nachbartisch ihren Kaffee getrunken hatten, nahmen nun ihre Tassen und wechselten an den Tisch, an dem Mamma Carlotta mit Tanja Möck und der Casting-Chefin saÃ. Im Nu hatte sie einen Schnellkurs in Sachen Mobilfunk erhalten, der zum Glück mit der schlichten Empfehlung endete, einfach zum Drogeriemarkt zu gehen und dort
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