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Inselzirkus

Titel: Inselzirkus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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und fiel zurück. »Aber Sie sagten doch gerade …«
    Erik ließ ihn nicht ausreden. »Fragen Sie mich nicht, Sören. Jedenfalls sitzt meine Schwiegermutter angeblich mit drei Schauspielerinnen zusammen und hat ihren Spaß.«
    Â»Wo?«
    Erik sah einer Ente nach, die erschrocken aufflog. »Hoffentlich nicht dort, wo wir gleich Bruce Markreiter verhören.«
    Sören begann so heftig zu lachen, dass er beinahe vom Fahrrad gefallen wäre. »Morgen wird sie die ganze Produktionsgesellschaft mit Antipasti versorgen, wetten?«
    Erik ließ sein Rad ausrollen und wartete, bis Sören wieder an seiner Seite fuhr. »Dieses Casting muss wirklich sehr merkwürdig gewesen sein. Felix saß eben sogar ohne sein Käppi am Küchentisch.«
    Als sie am Friedhof vorbeifuhren, schien der Wind den Atem anzuhalten. Immer, wenn Erik Lucias Grab näher kam, drehte die Welt sich ein bisschen langsamer, die Sonne brannte dann auch schon Anfang April, und die Enten auf dem Wenningstedter Dorfteich drückten sich ins Schilf wie sonst nur während der Mittagshitze. Erik wagte es nicht, einen Blick nach links zu werfen. Er wollte sie nicht sehen, diese Ruhe unter den Bäumen, die Stille, die Lucia nicht gemocht hatte, in der er sie dennoch allein lassen musste.

    Auf den Schreck brauchte Mamma Carlotta einen Cappuccino. Eigentlich hatte sie sich nur in die Bäckerei geflüchtet, damit sie Erik und Sören nicht begegnen musste. Und ein gutes Ciabatta-Brot konnte man schließlich immer gebrauchen! Aber nun stellte sie sich an einen der beiden Stehtische, die es hinter der Schaufensterscheibe gab, um sich zu stärken, bevor sie ihren Weg fortsetzte.
    Leider war der Bäcker nicht da, mit dem Mamma Carlotta schon häufig geplaudert hatte, sondern nur seine durch und durch friesische Verkäuferin, die es schon befremdlich fand, wenn ihr knappes »Moin« mit einem lauten »Buongiorno« beantwortet wurde.
    Der Cappuccino war entsprechend: der Kaffee knapp bemessen, die Milch nur flüchtig aufgeschäumt und der Kakaopuder so herb wie der Charme der Verkäuferin. Aber zumindest war er heiß, und ein heißes Getränk war immer gut, wenn man mit einer Gefühlsaufwallung klarkommen musste.
    War es wirklich nötig gewesen, vor Erik zu flüchten? Die Antwort war gefunden, noch ehe Mamma Carlotta sich an dem Cappuccino die Zunge verbrannt hatte. Ja, es war nötig gewesen! Wie hätte sie Erik erklären sollen, mit welchem Ziel sie durch die Westerlandstraße fuhr? Er hätte angenommen, dass sie auf dem Nachhauseweg war und sich zehn Minuten später an die Zubereitung des Abendessens machen würde. Auf keinen Fall sollte er wissen, dass sie auf dem Weg in eine Kaschemme war, die sie Tanja Möck empfohlen hatte, weil sie diese Kaschemme sehr gut kannte. Auch dass sie dort regelmäßig Rotwein aus Montepulciano trank, den der Wirt extra für sie bezog, durfte Erik niemals erfahren.
    Sie pustete so nervös in den Schaum ihres Cappuccinos, bis ihr eine Milchflocke auf der Nase tanzte. Warum waren Erik und Sören überhaupt mit dem Fahrrad unterwegs? Dieser Tag war Rudi Engdahls Geburtstag! Erik wollte sich von einem Streifenwagen der Verkehrspolizei nach Hause bringen lassen. Hatte es etwa ein Kapitalverbrechen gegeben, zu dem Erik radelte, weil er seinen Führerschein nicht riskieren wollte?
    Sie beschloss, auf den Rest des ungenießbaren Cappuccinos zu verzichten. Unter diesen Umständen konnte sie sich Zeit lassen. Im Süder Wung erwarteten sie nur Carolins Vorwürfe, also war es gut und richtig, ausgiebig in Käptens Kajüte einzukehren. Dort gab es mindestens zwei Menschen, die ihr zuhören würden, wenn sie ihnen erzählte, dass sie demnächst im Fernsehen zu bewundern sein würde. Das schönste Erlebnis verlor seinen Glanz, wenn es nicht von allen Seiten beleuchtet, von anderen kommentiert und vor den Augen staunender Mitmenschen gedreht und gewendet werden konnte. Wirklich schade, dass die Verkäuferin es nicht verdient hatte, sich die wunderbare Geschichte anzuhören, die Mamma Carlotta erlebt hatte!
    Die kümmerte diese Vergeltung leider wenig. Das war ärgerlich, aber schnell vergessen, als ein Kunde die Bäckerei betrat, den Mamma Carlotta kannte. »Signor Mierendorf! Come sta? Schon finito mit der Geburtstagsfeier von Signor Engdahl?«
    Enno Mierendorf stöhnte statt einer Antwort tief

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