Inselzirkus
würde nun den Vorschlag machen, die Sache wieder abzublasen, weil sie viel zu gefährlich war, da sagte Heidi: »Also los!«
Sie ging voran, öffnete leise die Eingangstür der Halle und trat als Erste in den Gang. Die Tür auf der gegenüberliegenden Seite war nur angelehnt. Das Licht, das in den Gang fiel, zeigte, dass sich dort jemand aufhielt. Harry achtete streng darauf, dass der Letzte, der die Halle verlieÃ, das Licht löschte. Also musste er noch da sein.
Heidi war die Mutigste. Sie tastete sich vorsichtig in die Halle hinein, lautlos, während die anderen drei mit angehaltenem Atem in der Nähe der Tür stehen blieben. Vorsichtig folgte Heidi den Schienen, auf denen die Kamera vor die Kulisse fuhr. Dabei beugte sie sich so weit wie möglich vor und versuchte, in die erste Kulisse zu schauen. Es handelte sich um das Wohnzimmer der Arztfamilie. Aber es war leer.
Heidi schlich weiter, die anderen folgten ihr unhörbar. Dann plötzlich zuckte etwas über die hohe helle Wand auf der linken Seite der Halle. Ein Schatten! In einer der Kulissen auf der rechten Seite der Halle hatte sich etwas bewegt. Heidi, die immer noch voranging, winkte mit ihrem linken Flügel. Das konnte nur bedeuten, dass sie Harry gesichtet hatte und den anderen Hühnern das Zeichen gab nachzukommen. Kurz darauf folgte der doppelte Flügelschlag, das verabredete Zeichen zum Angriff, und unmittelbar danach war ein Schrei zu hören. Ein Schrei des Entsetzens, den Mamma Carlotta nie vergessen würde â¦
Erik hatte schlecht geschlafen. Er schlief immer schlecht, wenn er viel getrunken hatte, aber in dieser Nacht hatte es mehrere Gründe gegeben, dass er nicht zur Ruhe gekommen war. Neben dem Rumoren in seinem Magen, dem Schwindelgefühl und dem lästigen Harndrang war es der neue Mordfall gewesen, der ihm im Kopf herumgegangen war. Bruce Markreiter, der ein Motiv, aber voraussichtlich auch ein Alibi hatte. Und dann diese Frau, von der Sandra Zielcke gesprochen hatte. Eine Stalkerin, die den Schauspieler krankhaft liebte und Max Triebel ebenso krankhaft hasste. Wenn sie die Täterin war, musste sie gewusst haben, dass Triebel eine Skandalgeschichte über Bruce Markreiter veröffentlichen wollte. Wer mochte diese Frau sein?
Erik richtete sich so weit auf, dass er den Wecker auf seinem Nachttisch erkennen konnte. Erst in einer halben Stunde würde er läuten. Also hatte er noch Zeit, sich auf den schweren Moment des Aufstehens vorzubereiten. Er hörte die Badezimmertür klappen und dann Schritte auf der Treppe. Und im selben Moment fiel ihm ein, dass es noch einen weiteren Grund gegeben hatte, warum er so schwer in den Schlaf gefunden hatte: Er hatte sich mit seiner Schwiegermutter gestritten. So etwas war noch nie vorgekommen. Natürlich ging sie ihm häufig auf die Nerven mit ihrem lauten und schnellen Reden, den vielen Ãbertreibungen und ihrem dramatischen Naturell. Aber gestritten hatten sie sich nie. Und so angriffslustig wie am Abend zuvor hatte er sie auch noch nie erlebt. Obwohl sie ihm weismachen wollte, dass sie einen ausgelassenen Abend mit neuen Freundinnen verbracht hatte, war sie nervös und angespannt gewesen. Sie war ihm regelrecht fremd vorgekommen.
Vorsichtig erhob er sich, tappte aus dem Zimmer, blieb auf dem Treppenabsatz stehen und lauschte. Aus der Küche drangen die üblichen Geräusche, Geschirrklappern, das Zischen der Espressomaschine, hin und wieder ein Gegenstand, der zu Boden fiel. An diesem Morgen waren es viele Gegenstände! Das bedeutete, dass Mamma Carlottas Gemütsverfassung nicht die beste war. Auch die unterdrückten Flüche und Verwünschungen, die bis in die erste Etage drangen, waren kein gutes Zeichen. Anscheinend hatte sie ihm noch immer nicht verziehen, dass sie von einem Streifenwagen aufgegriffen und nach Hause gebracht worden war.
Wütend hatte sie ihn angefunkelt. »Du behandelst mich wie ein ungezogenes Kind, Enrico! Hast du vergessen, dass ich eine moderne, emanzipierte Frau bin?«
Davon hörte Erik tatsächlich zum ersten Mal. Beinahe hätte er sogar gelacht. Aber angesichts ihres Zorns war ihm das Lachen schnell vergangen. »Ich habe mir Sorgen gemacht«, hatte er sich verteidigt. »Dir hätte etwas zugestoÃen sein können. Deswegen habe ich die Kollegen vom Streifendienst alarmiert. Sonst bist du ja immer pünktlich zum Abendessen zurück.«
Aber dieser Hinweis
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