Inshallah - Worte im Sand - Roman
einstöckiges Betongebäude. Ich bekam eine Gänsehaut und als ich aus dem hellen Sonnenschein in das Gebäude trat, lief mir ein Schauder über den Rücken. Wir wurden in ein Zimmer mit Betonfußboden, weißen Wänden und langen Leuchtröhren unter der Decke geführt. Ich wickelte mich fester in den Tschador und sah Najib an. Er schlang seine Arme um den Oberkörper und zuckte mit den Achseln. Captain Mindy bat uns mit einer Geste zu warten, während sie durch den Flur davonging.
»Sie haben Klimaanlagen.« Shiaraqa nahm die Sonnenbrille ab. »Die Amerikaner mögen keine Hitze. Außerdem müssen ihre Computer kühl bleiben.« Er fegte Staub aus seinen dicken, schwarzen Haaren und wischte die Hände danach an der Jeans ab.
Captain Mindy kehrte bald darauf zurück und führte uns um eine Ecke. Dort arbeiteten Soldaten an Schreibtischen. »Hier hinein«, forderte Shiaraqa uns auf. Wir betraten ein kleines Zimmer mit weißen Wänden und einem Schreibtisch voller Unterlagen, an dem ein Soldat saß und die Knöpfe dessen drückte, was wohl ein Computer war. Ich setzte mich neben Najib auf einen Plastikstuhl. Captain Mindy und Shiaraqa ließen sich vor der gegenüberliegenden Wand nieder. Der Mann sah von seiner Arbeit auf.
Shiaraqa dolmetschte für Captain Mindy. »Zulaikha,Najibullah, das ist Doktor Akamura. Er wird die Operation durchführen.«
»Salaam«, sagte der Arzt, ein gedrungener Asiat, der ebenfalls eine hellbraune Uniform trug, aber älter als die meisten Soldaten wirkte, die ich bisher gesehen hatte. Sein kurz geschorenes Haar war grau gesprenkelt, vor allem an den Schläfen. Wenn er lächelte, schienen sich seine schmalen Augen ganz zu schließen.
Shiaraqa übersetzte für Doktor Akamura. »Er freut sich, eure Bekanntschaft zu machen, Najibullah, Zulaikha.« Der Arzt schien die afghanischen Sitten besser zu kennen als seine Landsmänner, denn er sprach meinen Bruder zuerst an. »Er wird sich um Zulaikhas Hasenscharte kümmern. Er möchte euch den Eingriff erklären. Danach könnt ihr fragen, was ihr wollt.«
Der Arzt erläuterte den Ablauf der Operation, wobei er ab und zu verstummte, damit Shiaraqa übersetzte. Er wirkte nett, aber warum machte er sich die Mühe, alles zu erklären? Er war doch der Arzt. Er würde mich operieren. Welchen Sinn hatte es da, mir alles zu erläutern?
Schließlich wollte Shiaraqa wissen, ob wir Fragen hätten. Najib sah zu Boden. Nach kurzem Schweigen übersetzte Shiaraqa wieder. »Diese Operation wird nicht sehr wehtun. Du wirst schon bald ein hübsches Lächeln haben und deinen Mund nicht mehr bedecken müssen.«
Captain Mindy fragt etwas, der Arzt antwortete, Shiaraqa übersetzte. »Sie fragt, wann ihr nach Hause dürft. Er sagt, dass ihr vermutlich übermorgen zurückfliegen könnt.«
Bei dieser Neuigkeit warf ich meinem Bruder einen Blick zu. Er hob den Kopf und sah mich kurz aus großen Augen an. Man hatte uns zwar gesagt, dass es nichtlange dauern würde, aber das war fast unwirklich. Wie konnten sie meinen Mund richten und mich danach so schnell wieder heimschicken?
Ich ballte eine Faust im Schoß und erinnerte mich daran, wie die Moschee in der Sonne geglänzt hatte. Ich musste Geduld haben. Geduld und Glauben.
»Er sagt, dass sie in ein oder zwei Stunden bereit sind«, sagte Shiaraqa.
Man führte uns in ein kleines Zimmer, wo Shiaraqa einen Fernseher einschaltete. Die Figuren des Films, erklärte er, seien alle am Computer entwickelt worden. Dann übersetzte er die Dialoge, bis er mit Captain Mindy zum Essen ging. Ich war auch hungrig, wollte aber nichts essen oder tun, was der Operation in die Quere kam. Also guckte ich den Film, in dem die Spielzeuge eines amerikanischen Jungen in dessen Abwesenheit zum Leben erwachten und überall im riesigen Haus Abenteuer erlebten.
»Diese Spielzeugkämpfer würden Khalid und Habib gefallen.« Das war der zweite Satz, den Najib seit dem Abflug in Farah zu mir gesagt hatte.
Ich lachte. »Bale, Najib. Aber Habib würde sich vor dem kleinen, dicken, braunen Steinmann fürchten, denn er hat so komische Glubschaugen und seine Ohren fallen immer ab.«
Mein Bruder zuckte mit den Schultern. »Steinmann? Ich finde, er sieht aus, als wäre er aus Eseldung.«
Wir mussten beide lachen. Ich fragte mich, wann Najib zuletzt so herzhaft gelacht hatte. Es tat gut, ihn so fröhlich zu sehen.
Das Lachen entspannte mich. Ich wusste nicht, ob die Operation gelingen würde, aber die Amerikaner versuchtenes wenigstens. Dies war meine
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