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Inshallah - Worte im Sand - Roman

Inshallah - Worte im Sand - Roman

Titel: Inshallah - Worte im Sand - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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würde es aufhören? Wann leichter werden? Wenn Malehkah ihr Baby bekommen oder wenn Baba einen Mann für mich gefunden hatte? Ich fasste an meine heile Oberlippe und fuhr mit der Zunge über meine Zähne. »Und was nun?«, flüsterte ich. Mein Mund hatte sich verändert. Aber die Tage blieben gleich.
    Malehkah erlaubte mir den Gang zum Basar, ohne viel Aufhebens darum zu machen. Sie ermahnte mich nicht einmal zur Eile. Sie biss sich nur auf die Unterlippeund verengte die Augen, während sie ihren Bauch hielt. Als ich mich nach ihrem Befinden erkundigte, beschrieb sie mir, wo die Dose mit Geld in dem Zimmer versteckt war, das sie mit Baba teilte. Ich hatte Schuldgefühle, weil ich sie mit den Jungen und der Arbeit allein ließ. Also musste ich mich beeilen. Ich hielt unterwegs Ausschau nach Anwar, durchquerte den Fluss und lief zu der kleinen Schneiderei am Ende des Basars.
    »Salaam, mein Kind«, sagte Meena, als ich eintrat. Sie legte die Vorhänge weg, an denen sie genäht hatte. »Wie schön, dich wiederzusehen.« Ein paar Minuten später saßen wir in ihrer kleinen Wohnung und tranken Tee.
    »Ich verstehe das Gedicht noch besser als bei meinem Besuch vor einer Woche«, sagte ich nach einem Schluck.
    »Gut«, sagte Meena. »Sehr gut, mein Kind.«
    »Inzwischen kann ich ganze Sätze lesen. Und ich merke, dass mir die Laute bestimmter Wörter helfen, andere Wörter zu verstehen. Je mehr ich lerne, desto schneller scheine ich …« Irgendetwas stimmte nicht. Ich hatte sie oft besucht, aber heute war sie anders. Sie mochte mir nicht einmal in die Augen schauen. »Muallem?«
    »Hm?« Sie sah auf und schüttelte den Kopf. »Ach, ja. Bitte entschuldige, Zulaikha. Aber ich muss etwas mit dir bereden.« Sie trank einen Schluck. »Ich habe mit einigen Freunden gesprochen. Vor allem mit einer alten Freundin aus Herat, die früher an der dortigen Universität gelehrt hat.«
    Ich richtete mich auf. »Wo haben Sie sie getroffen? War sie hier?«
    »Nachdem ich erfahren habe, dass Lehrerinnen für die neue Mädchenschule in An Daral gesucht werden,habe ich mich beworben. Meine Freundin hat mich besucht. Sie arbeitet im neu gegründeten Bildungsministerium. Du ahnst nicht, wie groß meine Überraschung war, als sie mich gefragt hat.« Muallem lächelte strahlend. Wie gut, dass sie so glücklich war.
    »Das Wiedersehen mit Ihrer alten Freundin war sicher sehr schön«, sagte ich.
    Muallem nickte. »Ja, und ich bin froh über die neue Arbeit. Ich kann etwas mehr Geld gebrauchen.« Sie nippte am Tee und schwieg kurz. »Ich habe ihr von dir erzählt. Und von deiner Mutter. Ich habe ihr gesagt, dass du zwar einiges nachholen musst, weil es keine Bildungsmöglichkeiten für dich gab, aber trotzdem eine herausragende Schülerin sein könntest.«
    Meine Wangen brannten. »Tashakor, Muallem.«
    Meena nickte. Sie wollte noch etwas sagen. »Zulaikha – meine Freundin hat angeboten, dich zu unterrichten, damit du den versäumten Lehrstoff nachholen kannst. Du könntest bei ihr in Herat wohnen und lernen und dich später, wenn du so weit bist, um einen Studienplatz bewerben. Eines Tages könntest du dann einen Abschluss machen. Du könntest an einer Schule wie der in An Daral oder gar an der Universität in Herat oder Kabul unterrichten. Deine Zukunftsaussichten wären viel breitgefächerter.«
    Ich hätte fast die Tasse fallen lassen, konnte meine zitternde Hand aber gerade noch beruhigen. Vorsichtshalber stellte ich die Tasse auf das Tischchen. Ich fühlte mich wie damals, als Baba erzählt hatte, dass die Amerikaner meinen Mund richten könnten. Aber das hier war anders. In Herat studieren? Etwas über die Dichter in jener Stadt lernen, in der sie vor Hunderten von Jahrengelebt und geschrieben hatten? Das war zu schön, um wahr zu sein.
    Aber ich wurde auch zu Hause gebraucht. Malehkah würde bald ihr Kind zur Welt bringen und dann würde sie Hilfe benötigen. Und weil Zeynab weg war, wuchs mir die Arbeit über den Kopf. Und Baba …
    »Baba würde das nie erlauben.« Ich hatte das Gefühl, Meena noch einmal vor den Kopf zu stoßen.
    »Woher willst du das wissen?«
    »Woher ich … Na, ich weiß es einfach.«
    Er hatte mir erlaubt, mit Najib nach Kandahar zu fliegen. Und wenn er bei dem Bau einer neuen Schule half, hatte er vielleicht auch ein offenes Ohr für ein Mädchen, das etwas lernen wollte. Er hatte Malehkah sogar zum Wählen ermutigt. Trotzdem war es eine verrückte Vorstellung. »Meine Familie ahnt nicht einmal, dass ich Sie

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