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Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)

Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition)

Titel: Inside Anonymous: Aus dem Innenleben des globalen Cyber-Aufstands (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Parmy Olson
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»ICH LADE MEINEN LASER« klicken sollten.
    Etwa zu dieser Zeit sah Topiary, wie zwei sehr wichtige Teilnehmer sich im abgeschlossenen #command-Chatroom einloggten. Ihre Spitznamen lauteten Civil, geschrieben {Civil}, und Switch, und sie waren Botmaster. Beide kontrollierten je ein eigenes Botnet; das von Civil umfasste 50.000 infizierte Rechner, das von Switch um die 75.000. Anons, die Botnets mitbrachten, konnten bei Anonymous mit ungewöhnlich ehrfürchtiger Behandlung rechnen – schließlich hatten sie die Macht, mit ein paar Klicks eine ganze Webseite, ein IRC-Netzwerk oder was immer sie wollten offline zu bringen. Switch war der arrogantere von beiden und manchmal fast unerträglich. »Ich habe die Bots, ich entscheide hier«, sagte er gerne.
    Die Kontrolle lief dabei über IRC. Civil und Switch steuerten sogar ihre Botnets mit privaten Chatrooms wie #headquarters und #thedock. Letzteres war eine passende Bezeichnung, weil Bots oft als »Boote« bezeichnet wurden, zum Beispiel »Wie viele Boote setzen Segel?« Und im öffentlichen Chatroom mussten die Tausende neuer Besucher lediglich »!botnum« eintippen, um zu erfahren, wie viele Nutzer gerade mit ihrer LOIC feuerten. Am Tag zuvor hatten vierhundertzwanzig die Gruppenoption gewählt, bei der Attacke auf PayPal am 8. Dezember waren es durchschnittlich viertausendfünfhundert.
    Topiary sah, dass Civil und Switch ihre Botnets bereithielten, aber erst abwarteten, bis das Fußvolk die LOIC einsetzte. Angriffszeitpunkt war 14 Uhr westeuropäischer Zeit, wenn in Europa die meisten Teilnehmer noch am Schreibtisch saßen und die Amerikaner gerade ins Büro kamen. Als der Countdown gegen Null ging, posteten Unterstützer und IRC-Betreiber Tweets, Links zu digitalen Plakaten und 4chan-Posts, die alle erinnerten: »FEUER UM 14 UHR GMT.« Als es dann so weit war, explodierten die IRC-Chatrooms, Twitter und 4chan geradezu mit * FEUER FEUER FEUER FEUER * und FEEEUER!!! In den unerwünschten Anfragen, die die PayPal-Server ersticken sollten, hatten die Programmierer des LOIC-Gruppenmodus eine Nachricht versteckt: »Schlaf_gut_Paypal_AnonOps_wünscht_süße_Träume.«
    Die Aufregung wuchs, als Tausende LOICs weltweit Zehntausende Pakete auf PayPal.com abfeuerten und dessen Server gleichsam aus dem Nichts einer ungeheuren Belastung aussetzten. »Wenn ihr manuell feuert, dann behaltet die Adresse ›api.paypal.com:443‹ bei«, wiederholte ein User namens Pedophelia immer wieder im Hauptchatroom. »Nicht das Ziel wechseln. Gemeinsam sind wir stark!«
    In einem IRC-Chatroom mit der Bezeichnung #loic saß ein Moderator namens BillOReilly. Von hier aus konnte er die zusammengeschalteten LOIC-User aus aller Welt steuern und ihre Angriffe auf jedes beliebige Ziel richten. Wer sich in den Chatroom einloggte, sah eine lange Liste aller eingesetzten Rechner. Jeder Teilnehmer hatte eine sechsstellige Nummer, zusätzlich wurde das Land angegeben, in dem der Rechner stand (viele verfälschten diese Angabe allerdings durch Proxy-Server, um nicht gefunden werden zu können). Die meisten Teilnehmer waren in Deutschland, den USA und Großbritannien angesiedelt.
    Als der Angriff einige Minuten lang angedauert hatte, sahen sich die IRC-Betreiber die PayPal-Webseite an und stellten fest, dass sie zwar langsam geworden, aber noch nicht offline war. Große Verwirrung unter dem Fußvolk. Stimmte etwas mit der LOIC oder mit AnonOps nicht, oder war der DDoS-Abwehrschutz von PayPal zu stark? »Der Angriff wirkt NICHT«, schrieb jemand namens ASPj an Kayla – einen Namen, mit dem Topiary zu diesem Zeitpunkt noch nichts verband – im Hauptchatroom. »Ich wiederhole, PAYPAL IST NOCH NICHT ABGESCHOSSEN.«
    Niemand außerhalb von #command wusste das, aber ohne Civil und Switch würde es nicht gehen. »Werfen wir ein paar tausend Bots dazu«, schrieb jemand in #command. Civil wusste, was er zu tun hatte. Er befahl allen infizierten Rechnern, sich zum Botnet zusammenzuschließen. Evilworks, einer der Moderatoren, schrieb an Topiary: »Sieh dir nur all diese Bots an«, und lud ihn in Civils Botnet-Befehlszentrale ein, die er gerne vorführen wollte.
    In der Botnet-Zentrale, die wie ein gewöhnlicher Chatroom aussah, sah Topiary, wie plötzlich eine Liste mit sämtlichen von Civil befehligten Bots rund um die Welt in alphabetischer Reihenfolge den Bildschirm hinunterlief. Es gab einige Hundert in den USA, noch einige Hundert in Deutschland, und alle waren unsichtbar in seinem IRC-Chatroom eingeloggt. Jeder

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