Inside Occupy
Großbanken, aber für Erstere ist das letztlich eher ein Lippenbekenntnis.
Die Ursprünge der Tea Party gehen zurück auf ein viel gesehenes Video des CNBC-Reporters Rick Santelli vom Parkett der Chicagoer Börse vom 19. Februar 2009, in dem er über die Gerüchte herzog, der Staat könnte bald den verschuldeten Hausbesitzern zu Hilfe kommen. »Wollen wir wirklich die Hypotheken von diesen Losern subventionieren?«, fragte Santelli und schob nach: »Wir sind hier in Amerika! Wie viele von Ihnen wollen für die Hypothek Ihres Nachbarn zahlen, der ein zweites Bad hat und seine Rechnungen nicht mehr zahlen kann?« Mit anderen Worten, die Tea Party ist eine Gruppe von Leuten, die sich immerhin als Gläubiger sehen könnten; auch wenn sie gleichzeitig sozial zutiefst konservativ sind.
Occupy war dagegen von Anfang an im Kern eine Jugendbewegung mit Blick nach vorn – eine Gruppe von zukunftsorientierten Menschen, denen man einen Knüppel zwischen die Beine geworfen hat. Sie haben nach den Regeln gespielt und mussten zusehen, wie die Finanzklasse, auf alle Regeln pfeifend, die Weltwirtschaft mit betrügerischen Spekulationen in den Graben fuhr; und dann mussten sie zusehen, wie man ihr den Karren mit massiven staatlichen Subventionen aus dem Dreck zieht. Und nach alledem ist diese Finanzklasse mächtiger und genießt mehr Hochachtung als je zuvor – während die jungen Leute sich in ein Leben offenbar permanenter Demütigungen verwiesen sehen. Wen wollte es also wundern, dass sie radikalere Positionen zu beziehen bereit waren, als Amerika sie – in diesem Umfang – seit Generationen gesehen hatte?
Dass aus einer solchen Situation eine revolutionäre Bewegung erwachsen kann, ist kaum etwas Neues. Seit Jahrhunderten schon bestehen revolutionäre Koalitionen oft aus einer Art Bündnis zwischen den Kindern von Geistesarbeitern, die die Werte ihrer Eltern verwerfen, und talentierten Kindern der unteren Schichten, die sich eine bürgerliche Bildung erarbeitet haben, nur um feststellen zu müssen, dass der Erwerb einer bourgeoisen Bildung nicht notwendigerweise auch die Mitgliedschaft indieser Bourgeoisie mit sich bringt. Dieses Muster lässt sich immer wieder beobachten, in einem Land nach dem anderen: Zhou Enlai begegnet Mao Zedong, Che Guevara begegnet Fidel Castro. Selbst amerikanische Counter-Insurgency-Experten wissen seit Langem: Der zuverlässigste Vorbote einer gärenden Revolution ist die Zunahme von Arbeitslosen und verarmten Akademikern, das heißt von jungen Leuten, die vor Energie bersten, die zu viel Zeit und jeden Grund haben, zornig zu sein, und die sich halbwegs mit der Geschichte radikalen Denkens vertraut gemacht haben. In den USA bietet der Umstand, dass das System der Studentenkredite praktisch darniederliegt, die Garantie dafür, dass die angehenden Revolutionäre die Banken zu ihrem Hauptfeind erklären. Und da der Staat das Studentenprogramm unterhält und sie ihren Kredit nie wieder – selbst im Falle eines Offenbarungseids nicht – vergessen lässt, verstehen sie seine Rolle dabei, die Kontrolle der Banken über jeden Aspekt ihres künftigen Lebens zu garantieren.
»Die Schulden eines Studentenkredits sind heute mit die schlimmsten, die man sich antun kann. Nicht nur ist ihnen noch nicht einmal durch einen Offenbarungseid zu entkommen, Studentenkredite haben auch kein Verfallsdatum; zudem können die Eintreiber das Einkommen pfänden, die Sozialversicherungsabgaben, ja selbst das Arbeitslosengeld. Ist der Kreditnehmer zahlungsunfähig und kassiert die Garantieagentur beim Bund, bekommt sie (obwohl sie bereits entschädigt ist) einen Prozentsatz von allem, was sie von diesem Zeitpunkt an noch eintreiben kann – was den Agenturen natürlich einen finanziellen Anreiz gibt, ehemalige Studenten bis ins Grab zu verfolgen.« 8
Ebenso wenig überrascht es, dass die Große Rezession junge Leute besonders hart traf. Im historischen Vergleich waren die Aussichten dieser Generation faktisch schon vor dem Wirtschaftskollaps so trübe wie die keiner anderen zuvor. Die Ende der 70er Jahre geborene Generation von Amerikanern ist die erste in der Geschichte unsere Landes, die sich mit der Aussicht auf einen Lebensstandard unter dem ihrer Eltern konfrontiert sieht. Genau genommen stand sie bereits 2006 in fast jeder Hinsicht schlechter da: Sie bekam niedrigere Löhne und weniger Sozialleistungen, sie war höher verschuldet und endete mit weit höherer Wahrscheinlichkeit in der Arbeitslosigkeit oder im
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