Inside Occupy
Griechenland (nichts, was die alten Griechen nicht zum Wettbewerb gemacht hätten!) –, aber mehr noch in Situationen, wo jeder, der an einer Versammlung teilnimmt, bewaffnet oder wenigstens im Umgang mit Waffen ausgebildet ist. So war die Abstimmung vor allem typisch für die Armeen der Antike. Aristoteles war sich dessen sehr wohl bewusst. Die Verfassung eines griechischen Staates, so bemerkte er, hing in hohem Maße vom jeweils ausschlaggebenden Zweig des Militärs ab: War das die Kavallerie, konnte man eine Aristokratie erwarten; war es die schwere Infanterie, dann hatten die Reichen das Wahlrecht, die sich die Rüstungen leisten können; waren es die leichte Infanterie, Bogenschützen, Schleuderer oder die Marine (wie in Athen), dann ließ das auf eine Demokratie schließen. Ähnlich basierten in Rom Volksversammlungen, bei denen ebenfalls der Mehrheitsbeschluss galt, direkt auf – Zenturien genannten – militärischen Einheiten von je hundert Mann. Der Einrichtung lag der recht vernünftige Gedanke zugrunde, die Meinung eines Bewaffneten nicht unter den Tisch fallen lassen zu können.
Wichtig ist das hier deshalb, weil es zeigt, dass die alptraumhaften Ängste der Aristokraten vor der »Demokratie« als einem nach Mehrheitsbeschluss handelnden bewaffneten Pöbel so unbegründet nicht waren.
Das Konsensprinzip
Demokratie ist nichts weiter als der Prozess kollektiver Erwägungen auf der Basis des Prinzips umfassender und gleichberechtigter Partizipation.Und demokratische Kreativität ist am wahrscheinlichsten, wenn Teilnehmer unterschiedlichster Traditionen mit dem dringenden Bedürfnis zusammenkommen, ein Werkzeug zur Regelung gemeinsamer Angelegenheiten zu improvisieren.
Was ist dann Anarchismus?
Die einfachste Erklärung wäre: eine politische Bewegung mit dem Ziel einer wahrhaft freien Gesellschaft – wobei sich eine »freie Gesellschaft« definiert als eine, in der Menschen nur die Art von Beziehungen miteinander eingehen, die man nicht durch die ständige Androhung von Gewalt erzwingen muss. Weitgehende Ungleichheit in der Verteilung des Wohlstands, Sklaverei, Schuldleibeigenschaft oder Lohnarbeit, das hat die Geschichte immer wieder gezeigt, gibt es nur mit dem Rückhalt von Armeen, Gefängnissen, Polizei. Anarchisten wünschen sich zwischenmenschliche Beziehungen, die ohne diesen Rückhalt zustande kommen. Mit anderen Worten, sie stellen sich eine auf Gleichheit und Solidarität gebaute Welt vor, in der es Menschen freistünde, Beziehungen miteinander einzugehen, um eine endlose Vielfalt von Visionen, Projekten und Vorstellungen dessen zu verwirklichen, was ihnen wertvoll und wichtig im Leben erscheint. Wenn man mich fragt, welche Organisationen es in einer anarchistischen Gesellschaft geben könnte, antworte ich immer: jede Organisation, die man sich nur vorstellen kann, und wahrscheinlich viele, die wir uns gegenwärtig gar nicht vorstellen können. Es gibt nur eine Einschränkung: Diese Organisationen dürfen sich nicht auf Bewaffnete stützen, die einem sagen: »Wen interessiert schon deine Meinung, halt den Mund und mach, was man dir sagt.«
In diesem Sinne hat es immer schon Anarchisten gegeben: so immer dann, wenn eine Gruppe von Leuten angesichts eines ihnen aufgezwungen Macht- oder Herrschaftssystems ernsthaft sowohl über ihren Umgang miteinander als auch über die Möglichkeiten der Befreiung von dieser Macht oder Herrschaft nachzudenken beginnt und schließlich etwas zur Verwirklichung der gefundenen Möglichkeit tut. Die meisten Vorhaben dieser Art gingen in der Geschichte verloren, aber für einige wenige sind doch Zeugnisse überliefert.
In China zum Beispiel gab es um 4000 v.u.Z. eine philosophische Bewegung, die wir als »Schule der Ackerbauern« kennen, deren Ansicht nach sowohl Kaufleute als auch Staatsbeamte nutzlose Parasiten waren. Sie versuchten, Gemeinschaften von Gleichen zu schaffen; die sich offensichtlich aus abtrünnigen Intellektuellen und örtlichen Bauernphilosophen zusammensetzten. Die einzige Art von Führerschaft sollte die Führung durch Vorbild und Beispiel sein; die Wirtschaft sollte demokratisch reguliert werden, und ansiedeln sollten sie sich in von keiner Seite beanspruchten Gegenden zwischen den großen Staaten. Man scheint dabei davonausgegangen zu sein, den umliegenden Königreichen nach und nach Abtrünnige abziehen zu können, um schließlich ihren Kollaps herbeizuführen. Natürlich ist das Ganze letztlich gescheitert, aber die Ideen dieser Schule
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