Inside Occupy
die überall auftauchten, waren womöglich noch bessere Symbole, schon gar bei einer Lagerbelegschaft, deren Kern aus verschuldeten Ex-Studenten bestand. Immerhin verleihen Bibliotheken Bücher kostenlos, ohne Zinsen und ohne Gebühren – und der Wert dessen, was sie verleihen, Worte, Bilder, aber vor allem Ideen, basiert nicht auf dem Prinzip der »limited goods«, sondern vermehrt sich im Gegenteil mit ihrer Verbreitung.
Dies ist nicht der Ort für eine Anleitung zu Experimenten in Sachen Gemeinschaftsleben. Eine neue, alternative Gesellschaft zu schaffen ist eine schwierige Aufgabe. Und das gilt doppelt und dreifach für die besonders kalten und unfreundlichen Straßen amerikanischer Metropolen mit ihren Kranken, Obdachlosen und psychisch Zerstörten, im Widerstand gegen eine politische und ökonomische Elite, deren militarisierte Polizei einem unmissverständlich zu verstehen gibt, dass sie einen dort nicht haben will. Es kam zu einer Unzahl bleibender Bilder. Man diskutierte den Gegensatz von gemeinschaftlichen zu privaten Räumen, denn wenn sich ein Park mit Zelten füllt, verschwindet nicht selten der gemeinsame Raum. Man diskutierte natürlich auch Fragen der Sicherheit, etwa darüber, wie man mit den absehbaren Strategien der Obrigkeit umgehen sollte (so versuchte die Polizei, üble Kriminelle zum Einzug in die Camps zu bewegen und sich dort ihre Opfer zu suchen). Und dann war da noch die Frage nach der Beziehung zwischen unseren befreiten Räumen und den Communities drumherum. Oder es ging um Ansätze für breitere Projekte politischen Handelns, um die Ausweitung zurückeroberter Räume, etwa in Projekten wie Occupy Foreclosed Homes. Hunderte von teils sehr speziellen New Yorker OWS-Fragen.
Und weil sich all das von anderen Fällen unterscheidet, scheint es mir sinnvoller zu sein, mich in diesem Buch stattdessen auf Fragen zu konzentrieren, die in der einen oder anderen Form immer und überall auftauchen. So beginne ich denn mal mit einem omnipräsenten Bestandteil amerikanischen Lebens: der Polizei.
Zum Umgang mit der Polizei
Eine der Schlüsselentscheidungen, auf die wir uns bereits im frühen Planungsstadium einigten, war die Verweigerung jeglichen Kontakts mit der Polizei. Und es war die Entscheidung, die unsere Strategie von Anfang an maßgeblich bestimmte und die Voraussetzungen für alles Folgende schuf. Andere Besetzungen schlugen einen anderen Kurs ein und haben sich für Verbindungsleute entschieden. Meines Wissens endeten alle im Desaster.
Warum das so war? Man sollte doch meinen, dass es gerade in einer Bewegung, die sich der Gewaltfreiheit verschrieben hat, keinen Grund geben sollte, nicht für Möglichkeiten des Dialogs zu sorgen. Tatsache ist jedoch, dass zur Schaffung eines autonomen Raums bestimmte klare Grenzen zu ziehen sind.
Wer immer das Gegenteil behauptet, beginnt nicht selten mit der Erklärung: »Die Polizisten gehören doch selbst zu den 99 Prozent!« Da sei es doch scheinheilig, diesen Teil der amerikanischen Arbeiterklasse auszuschließen. Lassen Sie mich diesem Einwand auf der Stelle begegnen. Stimmt, von einer rein sozio-ökonomischen Warte aus gesehen gehören fast alle Polizisten zu den 99 Prozent. Wenige, selbst die korruptesten unter den oberen Chargen der Polizei, verdienen mehr als 340 000 Dollar im Jahr. Auch der Umstand, dass die meisten zu den etwa 15 Prozent der amerikanischen Arbeiterschaft gehören, die heute noch in der Gewerkschaft sind, spielt eine Rolle. Ich habe oft bemerkt, dass Polizisten Streikposten und Straßenaktionen von Leuten, die sie als Teil der Arbeiterbewegung sehen, ganz anders behandeln als nahezu jede andere Art des Protests.
Ich bin seit Langem bei der IWW (den Industrial Workers of the World), die seit Jahren eine weitgehend anarchistische Gewerkschaft ist, und es überrascht mich immer wieder aufs Neue, wie man dieselben jungen Leute, die auf der Stelle angegriffen oder »präventiv« verhaftet werden, wenn sie bei einer Antiglobalisierungsdemo auch nur maskiert erscheinen, bei Streiks plötzlich mit der Zuckerzange anfaßt – und das bei weit militanteren Aktionen und obwohl sie dann oft noch vermummter sind. Besonders lebhaft erinnere ich mich daran, wie einmal im Lagerhausbezirk einer amerikanischen Stadt, die ich besser nicht nenne, ein Polizist einige IWW-Streikposten ansprach, nachdem wir einige Trucks sabotiert hatten: »Hey, der Inhaber behauptet, ihr hättet euch an seinen Fahrzeugen zu schaffen gemacht, nur dass er nicht
Weitere Kostenlose Bücher