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Inspector Alan Banks 02 Eine respektable Leiche

Titel: Inspector Alan Banks 02 Eine respektable Leiche
Autoren: Peter Robinson
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Umgebung angepaßt. Und das Innere von Gristhorpes Festung war zweifellos ebenso freundlich und gemütlich wie der Besitzer selbst.
      Banks klopfte an die schwere Eichentür. Das dumpfe Echo hallte überraschend laut durch die tiefe Stille der Landschaft, aber niemand öffnete. Sicher nutzte Gristhorpe das schöne Wetter und war hinten in seinem Garten.
      Er wanderte um das Haus herum zur Rückseite und fand den Superintendent gebückt über einem Haufen Steine. Offensichtlich war er dabei, seinen Steinwall auszubauen. Als er Banks' Schritte hörte, stand er auf, wandte sich hochroten Gesichts um und sagte: «Oh, ist es schon so spät?»
      «Fast fünf», antwortete Banks. «Ich bin wohl ein paar Minuten zu früh dran.»
      «Hmm... mir scheint, ich verliere hier oben jedes Zeitgefühl. Aber setzen Sie sich doch.» Damit deutete er einladend auf das struppige Gras neben den Steinen. In Hemdsärmeln, das obligate HarristweedJackett zu seinen Füßen, die wallende Silbermähne leicht zerzaust von einer sanften Brise und das rote, pockennarbige Gesicht mit dem über die Oberlippe wuchernden Schnurrbart zu einem Grinsen verzogen, stand er da und schaute auf Banks hinunter. Das Auffallendste an Gristhorpes Erscheinung - was sowohl seine Mitarbeiter als auch die Delinquenten gelegentlich aus der Fassung brachte - waren jedoch die tief unter den buschigen Brauen liegenden Augen. Sie waren von einem klaren, kindisch-unschuldigen Blau, das nicht so recht zu seiner hochgewachsenen Ringer-Figur paßte und in dem Ruf stand, schon den hartgesottensten Verbrechern ein Geständnis entlockt und zahllosen kleinen Ganoven die Schamröte ins Gesicht getrieben zu haben, wenn er sie bei falschen Zeugenaussagen oder übereifrigen Ausschmückungen im Verhör ertappt hatte. Wenn die Welt jedoch in Ordnung war, wie an diesem klaren und heiteren Tag, dann leuchteten diese Augen in einer sanften Liebe zum Leben und in einem warmen, menschlichen Mitgefühl, das selbst einem Buddha zur Ehre gereicht hätte.
      Banks ließ sich für eine Weile nieder und half Gristhorpe beim Bau des Steinwalls, einem Projekt, das der Superintendent im Sommer zuvor begonnen hatte und das keinen besonderen Zweck verfolgte. Anfangs hatte auch Banks gelegentlich versucht, den einen oder anderen Stein in eine Lücke zu stopfen, allerdings verkehrt herum, so daß das Regenwasser hätte eindringen, sich bei Frost ausdehnen und die Mauer zum Einsturz bringen können. Oft hatte er auch einfach die falschen Stücke erwischt, die nicht in die Lücken passen wollten. Inzwischen hatte er allerdings dazugelernt und fand die Beschäftigung mit diesem Wall - ähnlich wie Gristhorpe - mindestens so entspannend und erholsam wie das Spiel mit der Modelleisenbahn, und allmählich hatte sich zwischen den beiden Männern eine Art stilles Einverständnis darüber entwickelt, welcher Stein geeignet war und wer ihn in der passenden Lücke plazierte.
      So vergingen etwa fünfzehn Minuten, bis Banks schließlich das Schweigen brach. «Vermutlich wissen Sie schon, daß man in der vergangenen Nacht eine von diesen Mauern abgeräumt hat, um eine Leiche unter den Steinen zu verstecken?»
      «Aye», antwortete Gristhorpe, «hab davon gehört. Kommen Sie, Alan, geh'n wir rein, ich mach uns eine Kanne Tee. Wenn ich mich nicht täusche, gibt's auch noch ein paar Reste von Mrs. Hawkins berühmten Scones.» Er sprach das Wort «Scones» mit einem deutlichen «on» aus statt des «own» der Leute aus dem Süden.
      Sie setzten sich in die tiefen, abgewetzten Sessel, und Banks ließ seine Augen über die Bücherregale schweifen, die sich deckenhoch über eine ganze Wand erstreckten und zu jedem Thema etwas enthielten. Es gab Bücher über Sagen und Märchen, über Geologie, Kriminologie, Topographie und Botanik, historische Wälzer und Reisebeschreibungen. Daneben ganze Borde mit ledergebundenen Klassikern von Homer, Cervantes, Rabelais und Dante bis zu Woodsworth, Dickens, James Joyce, W. B. Yeats und D. H. Lawrence. Auf dem Tisch lag der Titel «Stolz und Vorurteil» von Jane Austen, und die Position des Lesezeichens ließ erkennen, daß Gristhorpe nur noch wenige Seiten zu bewältigen hatte. Man sollte mehr lesen, ermahnte sich Banks, wie bei jedem Besuch in diesem Haus.
      Gristhorpes Büro in Eastvale sah nicht viel anders aus: Bücher, wohin man schaute, und keineswegs nur Fachliteratur. Er entstammte einer alteingesessenen, großbäuerlichen Familie aus den Dales und
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