Inspector Alan Banks 02 Eine respektable Leiche
erkundigte sich Banks, der zwar mit Brian sympathisierte, aber Tracy nicht aus ihrer Begeisterung herausreißen wollte. Seine Tochter war gerade in dem Alter, wo es nichts Schöneres gab, als die Eltern zu belehren und von ihrer erschreckenden Unwissenheit in Sachen Vergangenheit zu befreien. Schon sehr bald würde das alles vorbei sein, und ihr Leben würde sich, zumindest für ein paar Jahre, nur noch um Kleider, Popmusik, Make-up, Frisuren und Jungs drehen.
«Er war ein Rebell», informierte ihn Tracy. «Henry IV. hat ihn 1405 hinrichten lassen.»
«Ach, rutsch mir doch den Buckel runter mit deinen Zahlen, du Klugscheißer!» schimpfte Brian. «Dauernd tust du so, als ob du den ganzen Quatsch auswendig kannst.» Damit wandte er sich seinem Vater zu und gab seine eigene Version der Tagesereignisse zum besten, bevor Tracy noch zu einer Antwort ansetzen konnte.
«Wir sind mit dem Boot gefahren, Dad, und sie ist regelrecht seekrank geworden», berichtete er mit einem mitleidig-verächtlichen Blick zu seiner Schwester, «und wir sind an der Schokoladenfabrik vorbeigekommen. Ich wollte eigentlich 'ne kleine Tour machen, mit ein paar anderen Jungs, aber die Lehrerin hat's nicht erlaubt. Wollte uns unbedingt den ganzen historischen Kram vorführen und durch diese blöden alten Gassen schleppen.»
«Durch die Shambles», unterbrach Tracy, «und durch Stonegate und Petergate. Außerdem kannst du froh sein, von der ganzen Schokolade wär euch nur schlecht geworden.»
«Das hast du doch auch ohne Schokolade geschafft, was?» spottete Brian.
«Das reicht, Brian!» schritt Sandra ein. «Ihr hört jetzt auf damit, alle beide.»
Der Rest der Mahlzeit verlief schweigend; Brian schmollte, und Tracy warf ihm finstere Blicke zu, bis beide nach oben verschwanden, um sich vor den Fernseher zu setzen, während Sandra den Tisch abräumte und Banks ihr beim Abwaschen half. Als endlich Ruhe eingekehrt war und sie die beiden Streithähne ins Bett verfrachtet hatten, setzten sie sich noch einen Moment zusammen und gönnten sich einen Schlummertrunk.
«Ich hab einen neuen Job», verkündete Sandra, während sie den Scotch einschenkte. «Das heißt, er ist eigentlich nicht neu, sondern nur anders.»
Sandra arbeitete an drei Vormittagen der Woche bei einem Zahnarzt in Eastvale, wo sie die Patienten in Empfang nahm. Banks war neugierig, welche Veränderungen sich da ergeben haben mochten.
«Dr. Maxwell geht für drei Wochen in Urlaub, und die Praxis müßte geschlossen werden, weil Peggy Matthews - das ist die Empfangsdame von Dr. Smedley - zur gleichen Zeit Urlaub macht.»
«Doch wohl hoffentlich nicht zusammen mit Maxwell?»
«Nein», lachte Sandra, «obwohl sich die beiden bestimmt gut machen würden als Bettgenossen. Aber Maxwell hat sich die griechischen Inseln ausgesucht, und Peggy will nach Weymouth. Jedenfalls hat Smedley den Chef offenbar gefragt, ob er mich für eine Weile ausleihen kann. Maxwell hat mir den Vorschlag unterbreitet, und ich habe ja gesagt. Das geht doch in Ordnung, oder? Soweit ich weiß, haben wir doch nichts Besonderes geplant, nicht wahr?»
«Nein, keine Einwände, was mich betrifft. Ich kann sowieso keine Urlaubspläne machen, solange diese Steadman-Sache nicht geregelt ist.»
«Gut. Smedley muß ein ungeheurer Perfektionist sein, wie ich gehört habe. Vor allem bei Brücken und Kronen, damit die Farben abgestimmt sind und das alles. Angeblich ist er einer der besten Spezialisten in ganz Yorkshire.»
«Dann wirst du ja wahrscheinlich mit den feinsten Kreisen zu tun haben. Wer weiß, wen du noch alles kennenlernst?»
Sandra lachte. «Nun, zum Beispiel Mrs. Steadman, wie mir Peggy erzählt hat. Allem Anschein nach kommt sie wegen einer Wurzelbehandlung oder so was. Sie ist eine richtige Berühmtheit geworden inzwischen.»
«Seltsam, nicht wahr?» meinte Banks. «Da wird jemandem der Ehemann abgemurkst, und schon gucken die Leute zu der trauernden Witwe hoch, als wär sie die Königliche Hoheit höchstpersönlich.»
«Ich finde das ganz normal. Unsere Neugier hat eben etwas Morbides.»
«Meine nicht», widersprach Banks. «Hör mal, ich finde, wir waren schon lange nicht mehr aus, und morgen abend soll in Helmthorpe eine recht gute Folksängerin auftreten. Wie wär's, hast du Lust hinzugehen?»
«Ah, wir wechseln also das Thema, was ? Helmthorpe - ist das nicht der Ort, wo diese Steadmans
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