Inspector Alan Banks 03 Ein unvermeidlicher Mord
nicht übermäßig paranoid erscheinen, Chief Inspector«, begann Osmond langsam, »aber ich bin jetzt seit einigen Jahren bei der Kampagne für atomare Abrüstung und einer Reihe anderer Organisationen engagiert, deshalb glaube ich, aus Erfahrung sprechen zu können. Ich nehme an, Sie wissen natürlich, dass ich einmal eine Beschwerde gegen den Polizisten eingelegt habe, der getötet wurde?«
Banks nickte. »Sie hätten uns eine Menge Ärger erspart, wenn Sie das gleich erwähnt hätten.«
»Das sagen Sie so leicht. Egal, Ihr reizender Superintendent wusste es. Und da so etwas ein gefundenes Fressen für ihn ist, nahm ich an, dass auch Sie davon wissen. Wie auch immer, wir haben so etwas erwartet. Die Kampagne ergreift keine Partei, Chief Inspector. Glauben Sie es oder nicht, wir wollen lediglich eine atomwaffenfreie Welt. Einige Mitglieder bringen jedoch auch feste politische Überzeugungen mit, das will ich gar nicht bestreiten. Ich bin Sozialist, okay, aber das hat nichts mit der Kampagne oder ihren Zielen zu tun.«
Er hielt inne und spielte mit seinem kleinen, goldenen Kruzifix. Als Banks ihn so anschaute, wie er mit seinen langen, übereinander geschlagenen Beinen und einem auf der Rückenlehne ausgebreiteten Arm auf dem Sofa lümmelte, kam ihm das Wort gelangweilt in den Sinn.
»Ist Ihnen schon mal aufgefallen, wie jeder Mensch immer gleich in Schubladen eingeordnet wird?«, fuhr Osmond fort. »Wenn man gegen Atomkraft ist, erwarten die Leute von einem, dass man auch für das Abtreibungsrecht, für die Gewerkschaft, für die Schwulenbewegung, gegen die Amerikaner, gegen die Apartheid und im Allgemeinen linksgerichtet ist. Die meisten Leute können sich nicht vorstellen, dass es durchaus möglich ist, sagen wir, gegen Atomkraft und gegen Apartheid zu sein, aber nicht für die Schwulenbewegung und für das Abtreibungsrecht, besonders wenn man Katholik ist. Die Zusammenstellung ist natürlich variabel und manche Schubladen sind zum Beispiel extremer und gefährlicher als andere. Die Einstellungen jedoch, für die unsere Mitglieder stehen, kann man ziemlich gut vorhersagen. Tatsache ist, wir kämpfen für ein politisch brisantes Thema, und dadurch ziehen wir die Aufmerksamkeit von allen Seiten auf uns. Die Regierung glaubt, wir machen gemeinsame Sache mit den Russen, und führt deshalb periodisch Razzien in unseren Büros durch und stöbert in unseren Akten. Die Kommunisten glauben, wir sind Verbündete beim Sturz einer dekadenten, kapitalistischen Regierung, also machen sie uns den Hof und infiltrieren uns mit ihren Leuten. Es ist ein furchtbares Durcheinander, aber wir schaffen es trotz aller Widrigkeiten, unsere Ziele nicht aus den Augen zu verlieren.«
»Wollen Sie damit sagen, der Einbruch war politisch motiviert?«
»Ganz genau.« Osmond hob die Scotchflasche hoch und sah Banks fragend an. Dieser hielt ihm sein Glas hin. »Und der Diebstahl des Buches war eine Art Ansage oder Warnung. Verstehen Sie jetzt, wenn ich sage, ich erwarte keine Hilfe von der Polizei? Wenn die Special Branch oder MI5 oder sonst jemand die Hände im Spiel hat, dann sind Ihnen die Hände gebunden, und wenn es die andere Seite ist, dann kriegen Sie sie sowieso nie.«
»Aber wonach haben sie gesucht?«
»Keine Ahnung. Egal, meine Akten sind sowieso nicht hier. Die wichtigsten sind im Büro der Kampagne, und anderes Zeug ist bei der Arbeit.«
»Im Sozialdienstzentrum?«
»Ja. Ich habe dort ein Büro. Ganz praktisch.«
»Also haben sie das Gewünschte nicht gefunden, weil sie am falschen Ort gesucht haben.«
»Nehme ich an. Die einzige aktuelle Sache, die ich hier habe, ist meine Untersuchung der Demo. Ich habe Ihnen bereits davon erzählt, und Superintendent Burgess auch. Ich habe mit einer ganzen Reihe von Leuten gesprochen, die dabei waren, und versuche genau zu ermitteln, was passiert ist und wie es hätte vermieden werden können. Tim und Abha helfen mir dabei. Die meisten Unterlagen sind in ihrer Wohnung. Morgen findet ein Treffen auf der Farm statt, wo wir entscheiden wollen, was wir mit unseren Informationen anfangen. Seitdem Ihr Chef von der Aufgabe abgezogen wurde, haben wir sie für ihn fortgeführt, und unsere Ergebnisse werden wesentlich unvoreingenommener sein.«
»Da liegen Sie falsch«, sagte Banks und zündete sich eine neue Zigarette an. »Das Problem mit Leuten wie Ihnen, trotz Ihres ganzen Geredes von Schubladen, ist, dass Sie jeden über einen Kamm
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