Inspector Alan Banks 03 Ein unvermeidlicher Mord
Mara schritt ein, gab den beiden ihren Rat und bereinigte damit vorübergehend den Zwist.
Eigentlich brauchte man sich keinerlei Sorgen zu machen, sagte sich Mara beim Nähen, doch nach dem, was Seth und Rick von dem toten Polizisten gesagt hatten, wusste sie, dass ihnen eine eingehende Untersuchung bevorstand. Denn schließlich waren sie anders. Wenn sie auch nicht politisch in dem Sinne waren, dass sie einer bestimmten Partei angehörten, so glaubten sie doch an den Schutz der Umwelt. Sie hatten es sogar zugelassen, dass ihr Haus zur Basis für die Planung einer Demonstration benutzt wurde. Es war nur eine Frage der Zeit, bis es an der Tür klopfte. Noch etwas anderes machte Mara Sorgen und ging ihr durch den Kopf, aber sie konnte nicht genau sagen, was es war.
Als Seth und Rick nach zwei Uhr am Morgen zurückkamen, waren sie müde und hungrig gewesen. Seth hatte eine Anzeige wegen Nötigung und Rick wegen Behinderung eines Polizeibeamten bekommen. Dem, was Mara schon früher erfahren hatte, konnten die beiden nicht viel hinzufügen, außer der Nachricht vom Tod des Polizisten Gill, die sich schnell im Polizeirevier verbreitet hatte.
Im Bett hatte Mara versucht, Seth aufzumuntern, aber er wirkte sehr unnahbar. Schließlich sagte er, er sei müde, und schlief ein. Mara hatte noch lange wach gelegen und dem Regen gelauscht und dabei gedacht, wie oft Seth sich so abweisend gab. Mittlerweile lebte sie zwei Jahre mit ihm zusammen, aber sie hatte kaum das Gefühl, ihn zu kennen. Sie wusste nicht einmal, ob er jetzt wirklich eingeschlafen war oder nur so tat als ob. Er war ein Mann, der sich oft in tiefes Schweigen hüllte, so als würde er eine große, traurige Last mit sich herumtragen. Mara wusste, dass seine Frau Alison kurz bevor er den Hof gekauft hatte auf tragische Weise ums Leben gekommen war, doch sonst wusste sie überhaupt nichts von seiner Vergangenheit.
Wie ganz anders Rick dagegen war, dachte sie. Auch Ricks Leben hatte seine Tragik - mit seiner Ex-Frau war er in einen scheußlichen Prozess um Julians Sorgerecht verwickelt gewesen -, aber er war ein offener Mensch und konnte seine Gefühle zeigen, wohingegen Seth nie viel sagte. Doch Seth war stark, dachte Mara, er war die Sorte Mensch, zu der jeder aufschaute, weil er tatsächlich das Kommando zu haben schien. Und er liebte sie. Sie wusste, dass ihre Eifersucht, als Liz Dale aus der psychiatrischen Klinik weggelaufen war und bei ihnen Unterschlupf gesucht hatte, dumm gewesen war. Liz war eine enge Freundin von Alison gewesen und kannte Seth seit Jahren, sie war ein Teil seines Lebens, zu dem Mara keinen Zugang hatte, und das tat weh. Nacht für Nacht hatte Mara wach gelegen und mit fest umklammerten Kissen bis in die Morgenstunden ihren gedämpften Stimmen unten im Wohnzimmer gelauscht. Es war eine schwierige Zeit gewesen, mit Liz, der Belästigung durch die Sozialarbeiter und der Polizeirazzia, aber jetzt konnte sie zurückschauen und über die Erinnerung an ihre Eifersucht lachen.
Als sie so dasaß, nähte und die Kinder beobachtete, war Mara einfach nur glücklich, hier leben zu dürfen. Die meiste Zeit war sie froh; sie hatte kein Verlangen danach, die Welt zu verändern. Bisher hatte sie ein gutes Leben geführt, wenn auch manchmal ein chaotisches. Nach dem Studium hatte sie sich auf das Leben gestürzt - Reisen, Wohngemeinschaften, Liebesaffären, Drogen - und das alles, ohne sich große Gedanken zu machen.
Dann hatte sie vier Jahre mit der Organisation des Strahlenden Lichts verbracht; sie gipfelten in neun langen Monaten in einem ihrer Ashrams, wo alle Einnahmen an die Gruppe gingen und die Freiheit des Einzelnen äußerst begrenzt war. Es gab keine Kinobesuche, keine Abende im Pub, keine unbeschwerten, geselligen Treffen am Lagerfeuer. Gelacht wurde dort nur selten. Schnell hatte sich Mara wie in einer Falle gefühlt, und so hatte die ganze Episode bei ihr einen üblen Nachgeschmack hinterlassen. Sie hatte sich betrogen gefühlt, dazu verdammt, ihre Zeit zu verschwenden. Es hatte keine Liebe gegeben, keine spezielle Person, mit der man das Leben teilen konnte. Aber das war jetzt alles vorbei. Sie hatte Seth, der, so unnahbar er auch sein konnte, ein solider, zuverlässiger Mann war, sie hatte Paul, Zoe, Rick und vor allem die Kinder. Nachdem sie so lange umhergeirrt und auf der Suche gewesen war, schien sie schließlich die Beständigkeit gefunden zu haben, die sie brauchte. Sie war nach Hause gekommen.
Trotzdem
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