Inspector Alan Banks 03 Ein unvermeidlicher Mord
Glück hatte er nicht. Er leerte sein Glas, drückte die Zigarette aus und ging zurück über die Straße, um weitere Aussagen zu lesen.
* IV
Mara nippte an ihrem kleinen dunklen Bier, ohne es wirklich zu schmecken. Sie schien sich weder entspannen noch wie gewöhnlich die Gesellschaft genießen zu können. Seth saß an der Theke und plauderte mit Larry Grafton über irgendein altes Möbel, das der Wirt von seiner Urgroßmutter geerbt hatte. Rick und Zoe stritten sich über Astrologie. Und die Kinder saßen am Fenster und malten in aller Stille.
Was hatte es zu bedeuten, fragte sich Mara. Als sie Paul in der vergangenen Nacht auf das Blut an seiner Hand angesprochen hatte, war er in die Küche gegangen und hatte ein Pflaster genommen, ohne ihr die Wunde zu zeigen. Jetzt stellte sich heraus, dass es keine Wunde gab. Wessen Blut war es also gewesen?
Natürlich, so sagte sie sich, könnte alles Mögliche passiert sein. Er könnte versehentlich jemanden gestreift haben, der sich bei der Demo verletzt hatte. Es wäre sogar möglich, dass er jemandem helfen wollte. Aber er war eindeutig den ganzen Weg nach Hause gelaufen. Als er angekommen war, war er durcheinander und außer Atem gewesen. Und wenn die Erklärung für das Blut eine unschuldige war, warum hatte er dann gelogen? Denn darauf lief es schließlich hinaus. Anstatt die einfache Wahrheit zu erzählen, hatte er sie glauben lassen, er wäre verletzt, wenn auch nicht schlimm, und sie konnte keinen überzeugenden Grund finden, warum er das getan hatte.
»Du bist still heute«, sagte Seth und kam mit neuen Getränken an den Tisch.
Für dich ist es einfach, wollte sie sagen. Du kannst deine Gefühle verdrängen und über Hämmer und Hobel und Meißel und Beitel und Schleifpapier reden, so als wäre nichts passiert. Doch mit mir spricht niemand. »Es ist nichts«, sagte sie stattdessen. »Ich glaube, ich bin nur etwas müde nach gestern Nacht.«
Seth nahm ihre Hand. »Hast du nicht gut geschlafen?«
Nein, hätte sie fast gesagt, nein, ich habe beschissen geschlafen. Ich habe darauf gewartet, dass du deine Gefühle mit mir teilst, aber das hast du nicht getan. Das tust du nie. Du kannst mit Hinz und Kunz über deine Arbeit reden, aber über nichts anderes, über nichts Wichtiges. Doch sie sagte nichts. Sie drückte seine Hand, küsste ihn flüchtig und sagte, dass alles in Ordnung sei. Sie wusste, dass sie nur gereizt war und sich um Paul sorgte, und sie würde bestimmt bald wieder bessere Laune haben. Kein Grund, einen Streit zu beginnen.
Rick hatte sein Gespräch mit Zoe beendet und wendete sich an die anderen. Mara sah orange und weiße Farbkleckse in seinem Bart. »Alle reden über die Demo in Eastvale«, sagte er. »Als ich in den Lebensmittelladen ging, zerrissen sich alle die Mäuler darüber.«
»Was denken sie denn von der ganzen Sache?«, fragte Mara.
Rick schnaubte verächtlich. »Die denken nicht. Die sind genauso wie ihre Schafe. Aus Angst, sie könnten etwas Falsches sagen, behalten sie ihre Meinung - wenn sie überhaupt eine haben - lieber für sich. Natürlich machen sie sich Sorgen um radioaktiven Niederschlag. Aber wer tut das nicht? Und das ist dann auch schon alles, was sie machen: sich sorgen und jammern. Wenn es darauf ankommt, dann nehmen sie es wie alles andere hin und stecken den Kopf in den Sand. Die Frauen sind noch schlimmer. Alles, was sie tun können, wenn irgendetwas ihr nettes, ordentliches, angenehmes kleines Leben, das sie sich eingerichtet haben, durcheinander bringt, ist zu jammern und noch mal zu jammern.«
Die Tür quietschte in den Angeln und Paul kam herein.
Mara betrachtete die ausgezehrte Gestalt, die mit in den Taschen vergrabenen Händen auf sie zukam. Mit seinem ausgehöhlten, knochigen Gesicht, den tätowierten Fingern und den Narben, Einstichen und selbst zugefügten Brandmalen von Zigaretten, von denen Mara wusste, dass sie sich über seine ganzen Arme erstreckten, machte Paul einen Furcht erregenden Eindruck. Nur seine Frisur ließ ihn weicher erscheinen. Sein blondes Haar war hinten und an den Seiten kurz, oben jedoch so lang, dass ihm der Pony ständig über die Augen fiel. Mit finsterer Miene strich er ihn immer wieder zurück, zog aber nie in Betracht, ihn abzuschneiden.
Mara konnte nicht anders, als an seine Herkunft zu denken. Von Kindheit an war Pauls Leben wüst und hart gewesen. Er redete nie viel über seine tatsächlichen Eltern, aber er hatte
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