Inspector Alan Banks 03 Ein unvermeidlicher Mord
fuhren, pfiff Burgess munter mit.
* III
Sie waren alle ein bisschen betrunken, und das war ungewöhnlich auf Maggie's Farm. Mara war jedenfalls schon lange nicht mehr so beschwipst gewesen. Rick zeichnete sie, wie sie im Wohnzimmer beisammen saßen. Paul trank Dosenbier, und selbst Zoe hatte sich kichernd dem Weißwein hingegeben. Aber Seth war am schlimmsten. Er sprach undeutlich, seine Augen tränten und er hatte seine Bewegungen nicht mehr unter Kontrolle. Außerdem erzählte er rührselig von den sechziger Jahren, was er in nüchternem Zustand nie tat. Mara hatte ihn erst einmal betrunken erlebt, als er sich wegen des Todes seiner Frau hatte gehen lassen. Ansonsten war er sehr zurückhaltend und lebte sein Leben, ohne sich zu beklagen.
Alles hatte ganz harmlos begonnen. Nach dem Besuch der Polizei waren sie alle auf einen Drink zum Black Sheep spaziert. Vielleicht hatte sie die Erleichterung, die feierliche Stimmung dazu ermuntert, mehr als sonst zu trinken. Zum Schluß hatten sie ein paar Dosen Carlsberg, einige Flaschen Weißwein und eine Flasche Scotch mit nach Hause genommen. Fast den ganzen Nachmittag hatten Seth und Mara in den Zeitungen geschmökert oder vor dem Kamin gedöst, während Paul in der Werkstatt herumgammelte, Rick in seinem Atelier malte und Zoe mit den Kindern spielte. Am frühen Abend kamen alle wieder zusammen und machten sich über den Whisky und den Wein her.
Seth stolperte zur Stereoanlage und suchte aus seiner Sammlung eine verkratzte, alte Grateful-Dead-Platte heraus. »Das waren noch Zeiten«, sagte er. »Aus und vorbei. Heute jagen die Leute nur noch dem Geld hinterher. ScheißYuppies.«
Rick schaute von seinem Skizzenblock auf und lachte. »War das jemals anders?«
»Isle of Wright, Knebworth ...« Seth listete alle Rockfestivals auf, bei denen er gewesen war. »Damals ging es den Leuten noch um was.«
Mara hörte seinem Gefasel zu. Seit der Demo hatten sie eine Menge Stress gehabt, dachte sie, und das war Seths Art, sich davon freizumachen. Dem Zauber der Nostalgie zu verfallen war nicht schwer. Auch sie erinnerte sich an die Sechziger - oder besser gesagt an die späten sechziger Jahre, als die Hippiewelle endgültig nach England geschwappt war. Damals hatte tatsächlich alles besser ausgesehen. Einfacher. Klarer. Es gab uns und die anderen, und diese anderen erkannte man an der Kürze ihrer Haare.
»... Santana, Janis, Hendrix, die Doors. Verdammt, selbst die Hare Krishnas machten damals Spaß. Jetzt laufen alle in Schlips und Kragen rum. Ich erinnere mich, wie einmal...«
»Das ist alles Scheiße!«, schrie Paul und knallte seine leere Dose auf den Boden. »So ist es nie gewesen. Du lügst dir nur selbst in die Tasche, Seth.«
»Woher willst du das wissen?« Seth setzte sich auf und stützte sich wackelig auf seinen Ellbogen. »Du warst nicht dabei, oder? Damals bist du noch mit der Rassel um den Tannenbaum gerannt.«
»Meine Eltern waren Hippies«, sagte Paul verächtlich. »Scheiß-Blumenkinder. Meine Mutter starb an einer Überdosis, und mein Alter war zu stoned, um sich um mich zu kümmern, also hat er mich weggegeben.«
Mara war wie gelähmt. Paul hatte vorher noch nie über seine leiblichen Eltern gesprochen, sondern nur darüber, wie schlecht er in seiner Pflegefamilie behandelt worden war. Wenn es stimmte, dachte sie, sah er Seth und sie dann tatsächlich im gleichen Licht? Sie waren ungefähr im richtigen Alter. Hasste er auch sie?
Doch das konnte sie nicht glauben. Es gab noch eine andere Seite der Medaille. Paul suchte nach dem, was er verloren hatte, und wenigstens etwas davon hatte er auf Maggie's Farm gefunden. Sie nahmen keine Drogen, und auch wenn sie und Seth in den sechziger Jahren aufgewachsen waren und an einigen der damaligen Ideale festhielten, sahen sie weder wie Hippies aus noch handelten sie so.
»Wir sind anders«, protestierte sie und sah Zoe um Unterstützung heischend an. »Das weißt du, Paul. Wir kümmern uns um dich. Wir haben dich nie im Stich gelassen. Damals hatten viele Leute ihren Spaß. Seth schwelgt nur in seinen Erinnerungen.«
»Ich weiß«, sagte Paul widerwillig. »Aber ich habe keine Erinnerungen, in denen ich schwelgen kann. Ist auch egal, Mara, ich sage nur, dass es nicht nur Frieden und Liebe gab, wie Seth meint. Er redet nur Scheiße.«
»Da hast du Recht, Kumpel«, stimmte ihm Rick zu, legte seinen Skizzenblock weg und schenkte sich einen weiteren
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