Inspector Alan Banks 03 Ein unvermeidlicher Mord
Scotch ein. »Ich konnte auch nie viel mit den Hippies anfangen. Ein jammernder, heulender Haufen kleiner Kinder, wenn du mich fragst. Seth ist nur besoffen, das ist alles. Schau ihn dir doch an: Heute ist er ein verdammter Grundbesitzer, sogar ein Vermieter. Schon bald trägt er ausgebeulte Tweedanzüge und geht jeden Nachmittag auf Fasanenjagd. Sir Seth Cotton, Gutsherr von Maggie's Farm.«
Doch Seth lag zurückgesunken auf einem Kissen und schien jedes Interesse an dem Gespräch verloren zu haben. Seine Augen waren geschlossen, und Mara vermutete, dass er entweder eingeschlafen oder ganz in Jerry Garcias schwirrendes Gitarrensolo versunken war.
»Wo ist dein Vater jetzt?«, fragte Mara Paul.
»Ich habe nicht die geringste Ahnung. Und es interessiert mich auch einen Scheiß.« Paul riss eine weitere Bierdose auf.
»Aber hat er sich nie bei dir gemeldet?«
»Warum sollte er? Wie gesagt, selbst als ich bei ihm war, war er viel zu weggetreten, um mich zu bemerken.«
»Trotzdem ist das noch kein Grund, alle Menschen damals über einen Kamm zu scheren«, sagte Mara. »Seth hat nur gesagt, dass die Kraft der Liebe damals viel bedeutet hat. Das ganze Gerede über das >Age of Aquarius« hatte seine Berechtigung.«
»Ja, und was ist daraus geworden? Zweitausend Jahre von diesem Scheißgeschwafel können mir gestohlen bleiben. Vergessen wir doch endlich die Scheißvergangenheit und leben unser Leben.« Und mit diesen Worten stand Paul auf und verließ das Zimmer.
Jerry Garcia spielte weiter. Seth rührte sich, öffnete ein blutunterlaufenes Auge und schloss es gleich wieder.
Mara schenkte sich und Zoe noch etwas Weißwein nach, dann wanderten ihre Gedanken wieder zurück zu Paul. Als wäre sie heute nicht schon verwirrt genug gewesen, brachten seine soeben gezeigte Feindseligkeit und die neuen Informationen über die Gefühle zu seinen Eltern alles noch mehr durcheinander. Sie hatte Angst, ihn auf das Blut an seiner Hand anzusprechen, und sie begann sich davor zu fürchten, weiterhin mit jemandem unter einem Dach zu leben, den sie des Mordes verdächtigte. Dabei hasste sie sich selbst für diese Gefühle, sie hasste sich, weil sie nicht dazu in der Lage war, ihm vollständig zu vertrauen und an ihn zu glauben.
Was sie brauchte, war jemand, mit dem sie reden konnte, jemand von außerhalb der Farm, dem sie vertrauen konnte. Sie kam sich wie eine Frau mit einem Knoten in der Brust vor, die sich nicht traute, zum Arzt zu gehen, weil sie fürchtete, es könnte tatsächlich Krebs sein.
Und was die Sache noch schlimmer machte, war, dass sie bemerkt hatte, dass das Messer nicht mehr da war. Das Klappmesser, dass Seth nach seiner Aussage vor einigen Jahren in Frankreich gekauft hatte. Die anderen mussten es genauso bemerkt haben, aber niemand hatte ein Wort darüber verloren. Seit sie auf Maggie's Farm wohnte, hatte das Messer für jeden verfügbar auf dem Kaminsims gelegen, und nun war es verschwunden.
* IV
Banks aß sein Fish & Chips, das er auf dem Heimweg gekauft hatte, und ging dann ins Wohnzimmer. Zum Teufel mit der Gourmetküche, dachte er. Wenn diese lästige Nachbarin, Selena Harcourt, nicht wieder mit irgendeinem klebrigen Dessert vor der Tür auftauchte, um ihn zu versorgen, »solange sein Frauchen weg war«, würde er sich, anstatt Saucen zusammenzurühren, die sowieso nie etwas wurden, einen ruhigen Abend machen.
Er hatte sich bald wieder beruhigt, nachdem er Burgess im Revier abgeladen hatte. Das Arschloch hatte Recht behalten. Was bei Osmond vorgefallen war, so dachte er jetzt, war nicht besonders seriös gewesen, aber der Schock darüber, Jenny dort anzutreffen, hatte ihn übertrieben reagieren lassen. Für einen Moment hatte er seine Objektivität verloren. Das war alles. So etwas war schon früher passiert und es würde wieder passieren. Kein Weltuntergang.
Er machte sich einen Drink, legte die Füße hoch und schaltete den Fernseher ein. Der regionale Sender von Yorkshire zeigte eine Sondersendung über das Peak District. Er schaute mit einem Auge zu und blätterte dabei durch Tracys letzte Ausgabe von History Today; er las einen interessanten Artikel über Sir Titus Salt, der in der Nähe von Bradford für die Arbeiter seiner Textilfabriken eine utopische Siedlung namens Saltaire errichtet hatte. Ein gutes Ziel für einen Ausflug mit Sandra und den Kindern, dachte er. Sandra könnte Fotos machen, Tracy wäre begeistert und bestimmt würde
Weitere Kostenlose Bücher