Inspector Alan Banks 03 Ein unvermeidlicher Mord
oder? Ich bin mir auf jeden Fall ziemlich sicher, dass die Special Branch eine Akte über mich hat.«
»Na gut«, sagte Banks und musste über die Absurdität des Ganzen lächeln. Spiele. Nichts weiter als Kleine-JungenSpiele. »War das allgemein bekannt? Konnte jeder gewusst haben, dass mit Gill auf der Demo in der Nacht zu rechnen war?«
»Mit Sicherheit jeder, der an der Organisation beteiligt war«, sagte Tim. »Und außerdem jeder, der schon mal bei einer Demo in Yorkshire gewesen ist. Gott sei Dank gibt es nicht so viele wie ihn. Er hatte so seinen Ruf.«
»Haben Sie gewusst, dass er Dienst haben wird?«
»Nicht mit Sicherheit, nein. Ich meine, er hätte Grippe haben können oder sich sein Bein gebrochen haben.«
»Aber ansonsten?«
»Ansonsten war er eigentlich immer dabei. Hören Sie, ich habe keine Ahnung, worauf das alles hinauslaufen soll«, sagte Tim, »aber ich denke, Sie sollten wissen, dass wir unsere eigene Untersuchung durchführen werden.«
»Über den Mord?«
Tim sah ihn verwirrt an. »Nein. Über die Brutalität der Polizei. In ein paar Tagen werden wir uns wieder alle auf der Farm treffen und unsere Notizen vergleichen.«
»Gut, wenn Sie irgendetwas über den Tod von Constable Gill herausfinden, lassen Sie es mich wissen.«
Banks schaute auf seine Uhr und stand auf. Es war Zeit zu gehen und sich für das Abendessen mit Jenny fertig zu machen. Nachdem er sich verabschiedet hatte und durch das düstere Treppenhaus zurück auf die Straße gegangen war, dachte er darüber nach, wie seltsam es war, dass, wo immer er auch hinging, alle Wege zu Maggie's Farm zu führen schienen. Darüber hinaus hätte fast jeder Beteiligte wissen müssen, dass Gill mit aller Wahrscheinlichkeit in jener Nacht vor Ort sein würde. Wenn Gill Spaß daran hatte, den Leuten in Yorkshire eins überzubraten, dann sprach viel dafür, dass ein paar Leute einen ziemlichen Groll gegen ihn hegten. Er hoffte, dass Tony Grant sich beeilen und schnell die Informationen aus Scarborough schicken würde.
* II
Mara zog ihren Armeeparka an und ging den Weg nach Relton hinunter. Mittlerweile war es dunkel, und die Sterne sahen auf dem klaren Himmel wie funkelnde Eisflecken aus. Die entfernten Hügel und Felsspalten zeigten sich nur als verschwommene Silhouetten, schwarz vor einem schwarzen Hintergrund. Eine schiefe Mondsichel stand dort oben, wie auf dem Bühnenprospekt einer Varietenummer. Mara hätte sich nicht gewundert, wenn ein Mann mit Zylinder, Umhang und Spazierstock über den Himmel getanzt wäre. Der Kies knirschte unter ihren Füßen, und der Wind pfiff durch die Lücken der mit Efeu überwucherten Natursteinmauer. In der Ferne glitzerten die Lichter der Häuser und Dörfer unten im Tal wie Sterne auf.
Sie würde mit Jenny reden, beschloss sie, steckte ihre Hände tiefer in die Taschen und zog gegen die Kälte die Schultern hoch. Jenny kannte auch Chief Inspector Banks. Obwohl sie keinem Polizisten über den Weg traute, musste selbst Mara zugeben, dass er ein wesentlich angenehmerer Mensch als Burgess war. Vielleicht könnte sie auch herausfinden, was die Polizei wirklich dachte und ob sie Paul von nun an in Ruhe ließ.
Maras Gedanken schweiften wieder zum I Ching ab, das sie zu Rate gezogen hatte, bevor sie losgegangen war. Worum zum Teufel ging es dabei eigentlich? Es sollte ein Orakel sein und Einsichten vermitteln, wenn man sie wirklich brauchte, doch Mara war nicht überzeugt davon. Ein Problem war, dass es Fragen immer indirekt beantwortete. Man konnte nicht fragen: »Hat Paul den Polizisten ermordet?« und ein klares Ja oder Nein bekommen. Dieses Mal hatte das Orakel gelautet: »Die Frau hält den Korb, aber es sind keine Früchte darin. Der Mann ersticht das Schaf, aber es fließt kein Blut.« Bedeutete das, dass Paul niemanden umgebracht hatte, dass das Blut an seiner Hand von etwas anderem stammte? Und was war mit dem leeren Korb? Hatte der etwas zu tun mit Maras unfruchtbarer Gebärmutter? Wenn ein praktischer Hinweis darin lag, dann lautete er, nichts zu tun, und dennoch wanderte sie jetzt den Pfad hinab, um Jenny anzurufen. Alles, was das Buch getan hatte, war, ihre Ängste in Worte und Bilder zu fassen.
Am Ende des Weges ging Mara die Mortsett Lane entlang, vorbei an den geschlossenen Geschäften und den Häusern mit ihren flimmernden Fernsehgeräten hinter den Gardinen. In der schwach beleuchteten Telefonzelle wählte sie Jennys Nummer. Auf
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