Inspector Alan Banks 03 Ein unvermeidlicher Mord
stieß mit seiner Zunge gegen die linke Wange, als hätte er dort ein Furunkel. »Ich weiß nicht«, sagte er schließlich und suchte in den Taschen seines Dufflecoats nach den Wagenschlüsseln. »Ich möchte nicht erwischt werden. Meine Kollegen würden mir das Leben hier ganz schön zur Hölle machen, wenn sie nur wüssten, was ich Ihnen erzählt habe. Können Sie nicht einfach seine Akte anfordern?«
Banks schüttelte den Kopf. »Mein Chef möchte nicht, dass man erfährt, dass wir über Gill nachforschen. Er meint, es würde keinen guten Eindruck machen. Aber wenn es keiner erfährt ... Schicken Sie mir die Unterlagen an meine Privatadresse, nur um sicherzugehen.« Banks kritzelte seine Adresse auf eine Karte und reichte sie Grant.
Grant stieg in seinen Wagen und kurbelte das Fenster runter. »Ich kann nichts versprechen«, sagte er langsam, »aber ich werde es versuchen.« Er fuhr mit der Zunge über seine Lippen. »Wenn dabei irgendetwas Wichtiges herauskommen sollte ...« Er hielt inne.
Banks beugte sich hinab und legte seine Hände auf das feuchte Wagendach.
»Also«, fuhr Grant fort, »ich möchte nicht, dass Sie denken, ich bin nur auf meinen Vorteil aus, aber Sie werden sich erinnern, dass ich sagte, ich würde gerne zur Mordkommission, oder?« Und er sah Banks mit einem fetten, breiten, unschuldigen und offenen Lächeln an.
Teufel noch mal, den Jungen legte man nicht so leicht rein. Banks wurde nicht schlau aus ihm. Zuerst kam er so moralisch daher, dass Banks schon vermutete, die Kirche spiele eine große Rolle in seiner Vergangenheit. Doch trotz seines ganzen Idealismus und Respektes für das Gesetz entwickelte sich hier vielleicht ein neuer Dirty Dick. Dann wieder sah dieses verdammte, lächelnde Mondgesicht so verflucht engelsgleich aus ...
»Ja«, sagte Banks und lächelte zurück. »Keine Sorge, ich werde Sie nicht vergessen.«
* SECHS
* I
In den Querstraßen zwischen der York Road und der Market Street, ganz in der Nähe von Banks' Wohnung, hatten Stadtplaner eine Reihe großer viktorianischer Familienhäuser zu Studentenwohnungen umgebaut. In einer davon, einer Zwei-Zimmer-Mansardenwohnung, lebten Tim Fenton und Abha Sutton.
Nicht nur, dass Tim und Abha sich äußerlich sehr unterschieden, sie waren ganz und gar nicht so wie die meisten Revolutionäre. Der blonde Tim besaß das gut aussehende Äußere eines amerikanischen College-Boys und kleidete sich dementsprechend. Abha, eine Halbinderin, hatte goldene Haut, rabenschwarzes Haar und einen Perlenknopf im linken Nasenflügel. Sie studierte Grafikdesign, Tim war in Sozialwissenschaften eingeschrieben. Sie glaubten an den Marxismus als Lösung der weltweiten Ungerechtigkeit, waren aber immer schnell dabei, darauf hinzuweisen, dass sie den sowjetischen Kommunismus für eine extreme Perversion der Wahrheit des Propheten hielten. Beide waren im Großen und Ganzen freundliche Menschen und gehörten keineswegs zu der Sorte, die Polizisten Schweine nannte.
Sie saßen auf einem ramponierten Sofa unter einem CheGuevara-Poster, während es sich Banks auf einem gebrauchten Bürodrehstuhl am Schreibtisch bequem machte. Auf dem Monitor eines Amstrad-Computers blinkte der Cursor auf, Papierstapel und Bücher überschwemmten den Tisch, den Boden und jeden freien Stuhl.
Nachdem er aus Scarborough zurückgekommen war, hatte Banks gerade noch Zeit gehabt, im Revier vorbeizuschauen, um zu sehen, was die Special Branch herausgefunden hatte. Wie gewöhnlich waren ihre Akten so spärlich wie Kojaks Haar. Tim Fenton wurde zum Beispiel bei ihnen geführt, weil er an einem Seminar in Slough teilgenommen hatte, das von Marxism Today gesponsert worden war, und weil man einige der Redner dort verdächtigt hatte, für die Sowjets zu arbeiten. Dennis Osmond hatte die Aufmerksamkeit der Branch dadurch auf sich gezogen, dass er während des Streiks der Minenarbeiter eine Reihe leidenschaftlicher regierungskritischer Artikel für verschiedene Magazine geschrieben und einige politische Demonstrationen organisiert hatte - vor allem gegen die amerikanische Militärpräsenz in Europa. Wie Banks vermutet hatte, lieferten ihre Verbrechen gegen das Königreich kaum Gründe für Verbannung oder Hinrichtung.
Wie vorauszusehen war, verhielten sich Tim und Abha nach Burgess' Besuch feindselig und verschreckt. Als Banks im vergangenen November erfolgreich eine Reihe von Einbrüchen in Studentenwohnheimen untersucht hatte,
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