Inspector Alan Banks 05 In blindem Zorn
und neue Möbel gekauft habe. Aber wissen Sie was? Wenn ich diese Musik jemals wieder hören würde, würde ich wohl wahnsinnig werden.«
Banks verabschiedete sich und Veronica verschloss die Tür. Es war eine Schande, dachte er, dass ein solch herrliches und außergewöhnliches Stück Musik mit einer so furchtbaren Bluttat in Verbindung gebracht werden musste, aber immerhin glaubte er jetzt nicht nur zu wissen, wer die Platte aufgelegt hatte, sondern auch, warum die Platte laufen gelassen worden war.
* IV
Systematisch nahm Susan das Lametta von ihrem winzigen, künstlichen Weihnachtsbaum. Sorgfältig wickelte sie jeden dünnen Silberstreifen wieder um das Stück Pappe, auf dem er gewesen war, um sie für das nächste Jahr wegzupacken. Dasselbe tat sie mit der Lichterkette und den roten und grünen Kugeln, der einzigen Dekoration, die sie gekauft hatte.
Als sie den Baum abgeschmückt hatte, stellte sie sich auf einen Stuhl und nahm die Ziehharmonika-Girlanden aus farbigem Krepppapier ab, die sie über die Decke gehängt hatte, und faltete sie zusammen. Nun stand nur noch der Weihnachtsmann auf dem Kaminsims, eine dreidimensionale Figur, die sich wie ein Buch schloss, wenn man sie halb zusammenfaltete.
Nachdem sie alle Spuren von Weihnachten im Schrank verstaut hatte, stand Susan in der Mitte ihres Wohnzimmers und schaute sich um. Selbst ohne den feierlichen Schmuck, den sie eilig im letzten Moment gekauft hatte, bekam die Wohnung allmählich die Atmosphäre eines Zuhauses. Es gab noch eine Menge zu tun, zum Beispiel mussten noch Bilder gekauft werden, vielleicht auch ein paar Ziergegenstände, aber es tat sich etwas. Sie hatte bereits Zeit gefunden, drei Schallplatten zu kaufen: Arien aus Madame Butterfly, Die vier Jahreszeiten und eine Aufnahme von traditioneller Folkmusik, wie sie sie vor Jahren ein paarmal auf der Universität gehört hatte. Als sie in die Küche ging, um sich einen Kakao zu machen, erklangen die ersten Akkorde des »Herbst«.
Noch hatte James ihre Wohnung nicht von innen gesehen. Doch wenn er sie weiterhin zum Essen ausführte - nicht dass er gezahlt hätte, Susan bestand immer darauf, die Rechnung zu teilen -, würde sie ihn bald einladen müssen; aber irgendetwas hielt sie davon ab. Vielleicht war es dasselbe, was sie bisher davon abgehalten hatte, auf einen letzten Drink mit in seine Wohnung zu kommen. Der Mann war eben ihr Schullehrer gewesen und so ein Bild war nur schwer abzuschütteln. Trotzdem würde sie noch ein paar mehr Bücher und Schallplatten erstehen, bevor sie ihn zu sich einlud. Sie wollte nicht, dass er dachte, sie lebe in einem kulturellen Vakuum.
Sie schenkte sich einen Becher Kakao ein, setzte sich in den kleinen Sessel, um der Musik zuzuhören, und zog ihre Füße hoch. Wenn sie ehrlich war, überlegte sie, dann hatte ihr Widerstand gegen James nur wenig mit der Tatsache zu tun, dass er ihr Lehrer gewesen war, und hing auch nur teilweise mit seiner Verwicklung in den Fall zusammen. In ihren Augen war Veronica Shildon schuldig, und es bestand lediglich das Problem, zu beweisen, dass sie früher nach Hause zurückgekehrt war, als sie behauptete, und ihre Liebhaberin - was für ein geschmackloses Wort, dachte Susan, wenn es auf eine solche Beziehung angewendet wird - aus Eifersucht, Selbstekel oder einem anderen heftigen, negativen Gefühl heraus ermordet hatte. Entweder war es so gewesen, oder der verlassene Ehemann hatte es getan, weil Caroline seine Frau verdorben und ihm weggenommen hatte. Obwohl James und die Theatergruppe offiziell als Verdächtige galten, glaubte Susan deshalb nicht, dass einer von ihnen wirklich schuldig war. Nein, etwas anderes hielt sie auf Abstand zu James.
Aus verschidenen Gründen hatte sie sich während der letzten Jahre von sexuellen Beziehungen fern gehalten. Und wenn sie wieder ehrlich war, hatte das nicht nur an ihrer Karriere gelegen. Die war ihr natürlich wichtig, aber viele Frauen schafften es spielend, einen Liebhaber und ihre Karriere unter einen Hut zu bringen. Ein paar ihrer Kollegen und, was noch seltsamer war, einige der charmantesten Gangster, die sie geschnappt hatte, hatten mit ihr ausgehen wollen. Doch sie hatte immer abgelehnt, denn sie waren alle aus ihrem nahen Umfeld gekommen. Sie wollte nicht, dass man auf dem Revier über sie redete. Gelegentlich hatte sie eine Verabredung gehabt, war jedoch nie dazu imstande gewesen, sich auf irgendetwas einzulassen. Sie nahm an, dass die Männer
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