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Inspector Alan Banks 05 In blindem Zorn

Titel: Inspector Alan Banks 05 In blindem Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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mottenzerfressenen Vorhang an und wartete darauf, dass er sich in Bewegung setzte. Obwohl er Shakespeare mochte, hoffte er, dass die Aufführung nicht allzu lange dauern würde. Er erinnerte sich, wie ihm ein Schauspieler in London einmal gesagt hatte, dass er nicht gerne Hamlet spielte, weil die Pubs immer schon geschlossen hatten, wenn das Stück vorüber war. Banks glaubte nicht, dass Was ihr wollt so lange dauerte, aber bei einer schlechten Aufführung würde es einem möglicherweise so vorkommen.
      Schließlich gingen die Lichter - da es im Gemeindezentrum von Eastvale keine Dimmerschalter gab - abrupt aus und der Vorhang begann ruckartig aufzugehen. Verrostete Ösen quietschten über die Schiene. Das Publikum klatschte, dann machte es sich jeder auf den Plastikstühlen so bequem, wie er konnte.
     
    Wenn die Musik der Liebe Nahrung ist, Spielt weiter! Gebt mir volles Maß! Dass so Die übersatte Lust erkrank' und sterbe ...
     
    So sprach der Herzog und schon war das Stück in vollem Gange. Das Bühnenbild war einfach, fiel Banks auf. Ein paar sorgfältig platzierte Säulen, Vorhänge und Porträts erweckten den Eindruck eines Palastes. Banks erkannte in der auf einer Laute gespielten Musik eine Melodie von Dowland wieder, die der Epoche angemessen war.
      Obwohl er kein Shakespeare-Experte war, hatte Banks schon zwei andere Aufführungen von Was ihr wollt gesehen, eine in der Schule und eine in Stratford. An die ungefähre Handlung konnte er sich noch erinnern, nicht aber an die genauen Einzelheiten. Diesmal hatte er den Eindruck, dass zu viele Mitwirkende ihre Texte herausschrien oder herunterrasselten und Shakespeares Sprache dabei übel zurichteten. Auf der anderen Seite hielten die Konstellationen und Bewegungen der Figuren auf der Bühne durchweg die Spannung. Die Art und Weise, wie die Schauspieler sich gegenübertraten oder beim Sprechen dahinschritten, hielt alles im Fluss. Mit seinem spärlichen Wissen vom Inszenieren nahm Banks an, dass dafür Conran verantwortlich war. Gelegentlich rutschte jemand aus dem Publikum auf seinem oder ihrem Stuhl umher, ein paar Anwesende litten an Husten oder einer Erkältung, aber im Großen und Ganzen waren die meisten Zuschauer aufmerksam. Niemand lachte oder verließ den Saal, wenn ein Schauspieler oder eine Schauspielerin bei den Texten ins Haspeln kam und auf die Souffleuse wartete.
      Faith und Teresa waren gut. Sie besaßen die Haltung und die Fähigkeit, ihre Rollen auszufüllen, auch wenn einem Faith' Maskerade als Mann unglaubwürdig vorkam. Allerdings lag in ihren gemeinsamen Szenen eine sichtbare Anspannung, vielleicht weil Faith wusste, wer Banks von ihrem Krach mit Conran erzählt hatte, und Teresa wusste, wer ihm von ihrer Eifersucht auf Caroline Hartley berichtet hatte. Ironischerweise schien dies den Darstellungen einen zusätzlichen Reiz zu verleihen, besonders bei Violas anfänglicher Unhöflichkeit während ihres ersten Zusammentreffens. Die Zweideutigkeit ihrer Beziehung - Viola, als Mann gekleidet, machte Olivia im Namen ihres Bruders den Hof - nahm Banks schnell gefangen. Zu hören, wie Faith Teresa Komplimente wegen ihrer Schönheit machte, war schon eine komische Angelegenheit, aber zu beobachten, wie ihre Liebe erblühte, war noch seltsamer.
      Für Banks hatte dies auch eine dunkle Seite. Da er im Gegensatz zu den Figuren des Stückes wusste, dass sowohl Viola als auch Olivia Frauen waren, musste er unvermeidlich an Caroline und Veronica denken. Und Maria, die Rolle, die Caroline gespielt hätte, war eine zusätzliche Erinnerung an die kürzliche Tragödie.
      In der Pause war Banks unruhig. Er ließ Sandra im Gespräch mit einigen Bekannten allein und ging kurz hinaus auf die North Market Street, um in der eisigen Kälte eine Zigarette zu rauchen. Die schummerigen Gaslaternen glitzerten auf Eis und Schnee, und noch während er dastand, setzte ein sanfter Schneefall ein, dessen Flocken wie Federn hinabschwebten. Er zitterte, schnippte seine halb aufgerauchte Zigarette in einen Gully und ging wieder hinein.
      Der indirekte Zusammenhang zwischen dem Stück und der Realität ließ in Banks allmählich ein unbehagliches Gefühl aufkommen. Beim vierten Akt begann seine Aufmerksamkeit nachzulassen. Er musste an seine kürzlichen Gespräche mit Faith und Teresa und an den Stapel ungelesener Schreibarbeit in seinem Ablagekorb denken; dann war auch der Bericht über die Verhaftung der Einbrecher, für dessen Fertigstellung Susan die

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