Inspector Alan Banks 05 In blindem Zorn
Handtasche. »Ich lasse von mir hören«, versicherte sie.
Noch bevor sie sich umdrehen konnte, hörten sie Schritte auf dem Korridor. Conran sah überrascht aus. »Erwartest du noch jemanden?«, fragte er Marcia, die den Kopf schüttelte. Dann ging die Tür quietschend auf und Susan sah ein vertrautes Gesicht hereinschauen. Es war Chief Inspector Banks. Zuerst war sie erleichtert, ihn zu sehen. Doch gleich darauf dachte sie: Was zum Teufel hat er hier zu suchen? Kontrolliert er mich? Traut er mir nicht mal zu, eine so simple Aufgabe zu bewältigen?
* III
Sergeant Philip Richmond war froh, dass Veronica Shildon keine Anstalten machte, bei der Durchsuchung der oberen zwei Zimmer zugegen zu sein. Das Gefühl, ihm schaue jemand über die Schulter, konnte er nie vertragen. Aus diesem Grund arbeitete er auch gern mit Banks zusammen, denn der ließ ihm gewöhnlich freie Hand.
Das Schlafzimmer roch nach teurem kölnisch Wasser oder Puder. Als er das große Bett mit den korallenroten Satinbezügen betrachtete, versuchte er, sich die beiden Frauen darin vorzustellen, die Dinge, die sie miteinander angestellt haben mochten. Die Vorstellung war ihm peinlich, sodass er sich sogleich wieder an die Arbeit machte.
Richmond nahm die Tasche mit den Geschenken aus Veronicas Hälfte des Kleiderschrankes und breitete sie auf dem Bett aus: ein Set mit Füllfederhalter und Bleistift von Sheaffer, ein grüner Seidenschal, ein paar Seifen und Shampoos von Body Shop, ein scharlachroter Unterrock, das Buch, das mit dem letzten Booker Prize ausgezeichnet worden war ... alles ziemlich alltäglicher Kram. Die Quittungen waren datiert, aber auf keiner stand die Uhrzeit des Einkaufs. Richmond fertigte eine Liste der Artikel und Geschäfte an, damit das Personal befragt werden konnte.
Die Schubläden der Kommode enthielten hauptsächlich Unterwäsche. Richmond suchte sie systematisch durch, stieß aber auf nichts Verstecktes, auf nichts, das nicht hineingehörte. Er ging ins Arbeitszimmer.
Zusätzlich zu den Büchern, von denen keines mit einem Namen versehen war, stand in der Ecke unter dem Fenster ein Schreibtisch mit Rollverdeck. Auch darin befand sich nichts Überraschendes: Briefe an Veronica Shildon, einige von ihrem Mann, die von praktischen und finanziellen Belangen handelten, ein paar Rechnungen; Veronicas - größtenteils leeres - Adressbuch; eine Hausratsversicherungspolice; Quittungen und Garantiescheine für den Ofen, den Kühlschrank und einige Möbel. Das war alles. Nichts davon brachte Richmond weiter.
Als er sich eben zu fragen begann, ob Caroline überhaupt irgendetwas Nennenswertes besessen hatte, fiel ihm ein fester Umschlag in die Hände, auf dessen Vorderseite »Caroline« stand. Innen befand sich eine gepresste Blume, ihre Geburtsurkunde (aus der hervorging, dass sie sechsundzwanzig Jahre zuvor in Harrogate geboren worden war), ein abgelaufener Reisepass ohne Stempel oder Visa sowie ein Schwarzweißfoto einer Frau, die er noch nie gesehen hatte. Sie hatte stechende, intelligente Augen, ihr Kopf war leicht zur Seite geneigt. Ihr halblanges Haar war zurückgestrichen und offenbarte einen geraden Haaransatz und Ohren mit winzigen Ohrläppchen. Ihre Lippen waren fest zusammengepresst, ihre Ausstrahlung hatte etwas Arrogantes, das Richmond unangenehm berührte. Er hätte sie nicht als schön bezeichnet, auf jeden Fall aber als eindrucksvoll. Auf der Unterseite stand in verschnörkelter Schrift: »Für Carrie, von Ruth.«
Nachdem er sich vergewissert hatte, dass er nichts vergessen hatte, ging Richmond wieder nach unten und nahm den Umschlag mit. Als er das Wohnzimmer betrat, schaltete Veronica Shildon eben das kleine elektrische Heizgerät an.
»Ich hatte einfach keine Lust, den Kamin anzumachen«, erklärte sie. »Aber wir benutzen sowieso meistens dieses Gerät. Es gibt genug Wärme ab. Möchten Sie einen Tee?«
»Gerne, wenn es keine Umstände macht.«
»Er ist schon fertig.«
Richmond mied das kissenlose Sofa und setzte sich stattdessen lieber in einen Sessel. Nachdem Veronica Tee eingeschenkt hatte, zeigte er ihr das Foto. »Wer ist diese Frau?«, fragte er. »Können Sie mir etwas über sie erzählen?«
Veronica betrachtete das Foto und schüttelte den Kopf. »Das ist nur irgendeine Frau, die Caroline in London kannte.«
»Sie wird Ihnen doch sicherlich etwas über sie erzählt haben.«
»Caroline sprach nicht gerne über ihre
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