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Inspector Alan Banks 05 In blindem Zorn

Titel: Inspector Alan Banks 05 In blindem Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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dann änderte sich der Name erneut in West Park. Sie bog nach links auf den York Place, die Straße, die am Stray vorbeiführte, eine weitläufige, für ihre prachtvollen Blumenbeete bekannte Parkanlage. Unter der Schneedecke sah sie jetzt kühl und verlassen aus.
      Die Hartleys wohnten in einem großen Haus an der Wetherby Road in einem der südlichen Außenbezirke der Stadt. Von außen wirkte es, als sei es einem Edgar-Allen-Poe-Roman entsprungen - das Haus Usher, dachte Susan, so wie es in dem Film von Roger Corman dargestellt wurde, der ihr als kleines Mädchen immer Angst eingejagt hatte. Der dunkle Stein war rau und durchlöchert wie Kohle und die Erker erinnerten an Glupschaugen. Während Susan klingelte, erwartete sie halb einen riesigen Diener mit blassgrünlicher Gesichtsfarbe, der mit tiefer Stimme fragen würde:
      »Haben Sie etwa geklingelt?« Doch der Junge, der an die Tür kam, war eher klein. Dem blassen, pickeligen Gesicht, dem stachligen Haar und dem trägen, weltverachtenden Gesichtsausdruck nach war er im späten Teenageralter; außerdem war er so dünn wie eine Bohnenstange.
      »Was ist?«, erkundigte er sich mit nervöser, hoher Stimme. »Wir wollen nichts. In der Familie hat es einen Todesfall gegeben.«
      »Ich weiß«, antwortete Susan. »Deswegen bin ich hier.« Sie zeigte ihren Ausweis und er trat einen Schritt zurück und ließ sie herein. Sie folgte ihm durch den düsteren Korridor in einen Raum, der einmal ein Arbeitszimmer oder eine Bibliothek gewesen sein musste. Die Decken waren hoch und in den Ecken mit Stuck verziert, an einem prunkvollen Anschluss in der Mitte hatte wohl einmal der Kronleuchter gehangen. Bis in Hüfthöhe war der Raum mit dunklem Holz vertäfelt.
      Doch er war völlig heruntergekommen. Der größte Teil der schönen Eichenvertäfelung war mit Graffiti voll geschmiert und von Darttreffern durchlöchert. Die gewaltigen, von schweren, mottenzerfressenen Vorhängen gesäumten Fenster waren mit Spinnweben und Ruß überzogen. Magazine und Zeitungen lagen über den ganzen abgewetzten Teppich verstreut herum. Bierdosen und Zigarettenstummel bedeckten den alten Steinkamin, und aus dem riesigen, mit grünem Samt bezogenen Sofa quoll das Polstermaterial. Der Raum war von einem einst eleganten, viktorianischen Schmuckstück zur privaten Müllhalde eines Teenagers heruntergekommen.
      Der Junge bot Susan zwar keinen Sitzplatz an, aber sie fand einen Stuhl, der in einem akzeptablen Zustand zu sein schien. Bevor sie sich setzte, begann sie ihren Mantel aufzuknöpfen, doch dabei spürte sie, dass es in dem Zimmer genauso kalt war wie im Korridor. Es gab keinerlei Heizung. Obwohl der Junge nur Jeans und ein zerrissenes T-Shirt trug, schien er es weder zu bemerken noch schien es ihm etwas auszumachen. Er zündete sich eine Zigarette an und ließ sich auf das Sofa fallen. Wie Schaum aus dem Mund eines Wahnsinnigen kam noch mehr Polster heraus.
      »Und?«, sagte er.
      »Ich möchte gerne mit Ihrem Vater sprechen.«
      Der Junge lachte gehässig auf. »Sie sind bestimmt der erste Mensch seit fünf Jahren, der das sagt. Niemand will gerne mit meinem Vater sprechen. Er ist ein sehr deprimierender Mann. Bei ihm denkt man unwillkürlich an den Tod - den Schnitter Tod.«
      Eines war sicher: Das schmale Gesicht des Jungen, das kaum weniger weiß als der Schnee draußen war, ließ Susan tatsächlich an den Tod denken. Der Junge schien dringend eine Bluttransfusion zu benötigen. Das sollte Caroline Hartleys Bruder sein? Man konnte nur schwer eine Ähnlichkeit zwischen dem Jungen und seiner Schwester ausmachen. Caroline musste eine schöne Frau gewesen sein. Und selbst im Tod hatte sie noch lebendiger ausgesehen als ihr Bruder.
      »Kann ich ihn sprechen?«
      »Nur zu.« Der Junge deutete hoch zur Decke und schnippte seine Asche in Richtung des verdreckten Kamins.
      Susan ging die breite Treppe hinauf. Mit einem dicken Florteppich und an Cocktails nippenden Gästen in Abendgarderobe auf ihren Stufen musste sie einmal wundervoll ausgesehen haben. Doch jetzt bestand sie nur noch aus nacktem, knarrendem und an manchen Stellen abgesplittertem Holz. Das Geländer machte den Eindruck, als habe jemand Kerben hineingeschnitten. Helle Stellen an den Wänden zeigten, wo einst Gemälde gehangen hatten.
      So ganz ohne Führung oder genaue Angaben benötigte Susan drei Versuche, bis sie die richtige Tür fand. Ihr erster Versuch führte sie in ein Badezimmer, das

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