Inspector Alan Banks 05 In blindem Zorn
über Carolines Zeit dort erzählen können, eine große Hilfe sein.«
»Ein Baby«, wiederholte Veronica. »Caroline? Sie hat nie ein Wort gesagt...«
»Es stimmt«, sagte Susan.
»Aber was ist mit ihm passiert? Wo ist es?«
»Das würden wir selbst gerne wissen«, räumte Banks ein. »Haben Sie gewusst, dass diese Musik, Laudate pueri, bei Begräbnissen von Kindern gespielt wurde?«
Veronica sah ihn an, als verstände sie nicht. Ihre schmalen, geraden Lippen pressten sich fest zusammen und von einem tiefen V über ihrem Nasenansatz breiteten sich Falten über die Stirn aus. »Was hat das damit zu tun?«, wollte sie wissen.
»Vielleicht nichts. Aber jemand hat die Platte aufgelegt und dafür gesorgt, dass sie weiterspielt. Sie sagen, es war nicht Ihre, also muss sie jemand mitgebracht haben. Vielleicht der Mörder. Sie sagten, Sie mögen klassische Musik?«
»Natürlich. Ich hätte kaum zehn Jahre lang mit Claude leben können, wenn ich sie nicht mögen würde, oder?«
Banks zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung. Für Komfort und Sicherheit bringen die Menschen die seltsamsten Opfer.«
»Ich habe vielleicht meine Unabhängigkeit und meinen Stolz geopfert, Chief Inspector, aber meine Liebe zur Musik war nicht vorgetäuscht, das versichere ich Ihnen. Ich habe mich damals an allen Formen klassischer Musik erfreut und tue es noch.«
»Aber Caroline nicht.«
»Was spielt das für eine Rolle? Mir hat es gereicht, meine Platten zu genießen, wenn sie nicht da war.«
Banks, der oft unter Sandras Protest gegen manche Musik, die er selbst liebte, gelitten hatte, verstand das sehr gut. »Ist die Platte«, fragte er, »die Sorte Geschenk, das Ihr Mann Ihnen gemacht haben könnte?«
»Wenn Sie von mir erwarten, dass ich Claude in diese Sache hineinziehe, dann werden Sie lange warten müssen. Wir mögen uns getrennt haben, aber ich wünsche ihm keinen Schaden. Wollen Sie darauf hinaus, dass es zwischen dieser Musik, dem Baby und Carolines Tod irgendeine obskure Verbindung gibt?«
»Zwischen den ersten beiden scheint die Verbindung ganz offensichtlich zu sein«, sagte Banks, »aber was den Rest angeht, so weiß ich es nicht. Wenn Sie die Platte vorher noch nie gesehen haben, muss sie jemand an diesem Abend vorbeigebracht haben. Es wäre eine große Hilfe, wenn wir erfahren würden, wer der Vater von Carolines Kind war.«
Veronica schüttelte langsam den Kopf. »Ich habe es nicht gewusst. Ich habe es wirklich nicht gewusst. Das mit dem Baby, meine ich.«
»Überrascht Sie die Entdeckung, dass Caroline nicht ausschließlich lesbisch war?«
»Nein, darum geht es nicht. Schließlich bin ich selbst nicht ausschließlich so gewesen, nicht wahr? Die meisten Menschen sind es nicht. Die meisten Menschen wie wir.« Sie neigte ihren Kopf zurück und fixierte ihn mit einem kühlen, finsteren Blick. »Vielleicht interessiert es Sie, Chief Inspector, nur der Ordnung halber, dass ich mich für das, was ich bin, nicht schäme - und genauso wenig tat es Caroline. Aber wir waren keine Missionarinnen. Wir sind nicht Händchen haltend umhergelaufen oder in der Öffentlichkeit übereinander hergefallen. Noch haben wir uns durch Ideale oder Gruppen vereinnahmen lassen, die zu glauben scheinen, die sexuelle Vorliebe sei von der Ordination eines Priesters bis zum Müsli, das man kauft, in allem eine wichtige Frage. Wie das Sexualleben der meisten Menschen war auch unseres eine intime und private Angelegenheit. Auf jeden Fall so lange, bis die Zeitungen von dieser Geschichte Wind bekamen. Sie entdeckten schnell, dass ich mit Claude verheiratet war und warum wir uns trennten, und sie haben nicht lange gebraucht, um Vermutungen über die Art meiner Beziehung zu Caroline anzustellen.«
»Darüber würde ich mir keine großen Sorgen machen«, meinte Banks. »Über die Feiertage schenken die Leute der Boulevardpresse weniger Beachtung. Wissen Sie, ob Caroline irgendwelche Affären hatte, während sie mit Ihnen zusammenlebte? Mit Männern oder Frauen?«
Veronica fasste an den Ausschnitt ihres Sweatshirts. »Sie haben überhaupt keine Schamgrenze, oder?«
»Das geht manchmal leider nicht anders. Würden Sie bitte die Frage beantworten?«
Veronica hielt einen Moment inne. »Soweit mir bekannt ist, nein«, sagte sie dann. »Und ich glaube, ich hätte es gewusst. Sie zog natürlich die Männer an - was ihr bewusst war. Sie ging damit so gut um, wie sie eben
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