Inspector Alan Banks 05 In blindem Zorn
man so ist, wie man ist, desto mehr ist man dazu in der Lage, destruktive Verhaltensmuster zu verändern.« Sie brachte ein selbstironisches Lächeln zustande. »Tut mir Leid, wenn ich wie ein Werbespot für meine Therapeutin klinge, aber Sie haben mich gefragt.«
»Hat sie in letzter Zeit etwas gequält? Hat sie etwas besonders bedrückt?«
Veronica dachte einen Augenblick nach und nippte erneut an ihrem Sherry. Banks glaubte, darin ein Signal für eine bevorstehende Lüge oder ein Ausweichen zu erkennen.
»Ganz im Gegenteil«, sagte Veronica schließlich. »Wie gesagt, sie machte große Fortschritte in Bezug auf ihre persönlichen Probleme. Unser gemeinsames Leben war sehr glücklich. Und sie war aufgeregt wegen des Stückes. Sie hatte zwar nur eine kleine Rolle, aber der Regisseur stellte ihr in Aussicht, dass bessere folgen würden. Ich weiß nicht, ob Mr Conran sie dazu verleitete, zu viel zu erwarten, aber nach dem, was sie mir erzählte, schien er sehr von ihrem Talent überzeugt zu sein.«
»Haben Sie James Conran mal kennen gelernt?«
»Nein. Das hat mir alles Caroline erzählt.«
»Hat sie Ihnen auch erzählt, dass er hinter ihr her war?«
Veronica lächelte. »Ja, sie erwähnte ein paarmal, dass er sie oft angemacht hat. Ich glaube, sie wusste, dass er sie attraktiv fand, und dachte, es könnte ihr nützlich sein.«
»Ein bisschen kaltblütig, oder?«
»Kommt auf die Sichtweise an.«
»Wie weit wäre sie gegangen?«
Veronica stellte ihr Glas ab. »Hören Sie, Chief Inspector, ich habe nichts dagegen, Ihre Fragen zu beantworten, wenn sie wichtig sind, aber ich verstehe überhaupt nicht, wie es Ihnen weiterhelfen soll, wenn Sie schlecht über eine Tote reden oder ihr etwas unterstellen.«
Banks beugte sich vor. »Jetzt hören Sie mir mal für einen Moment zu, Ms Shildon. Wir suchen nach einem Menschen, der Ihre Lebensgefährtin ermordet hat. Im Augenblick haben wir noch keine Ahnung, wer dieser Mensch sein könnte. Wenn Caroline irgendetwas getan hat, was möglicherweise zu ihrem Tod führte, dann müssen wir es wissen - ob es nun ein gutes oder ein schlechtes Bild auf sie wirft. Also, wie weit wäre sie mit James Conran gegangen?«
Veronica, blass und steif, blieb für eine Weile stumm. Als sie wieder sprach, klang ihre Stimme leise und müde. »Wir sprechen hier von einer Laienspielgruppe«, sagte sie. »So wie Sie darüber reden, muss man ja denken, es gehe um eine Rolle beim Film. Caroline konnte sehr gut flirten und den Egos der Männer schmeicheln, aber weiter ist sie nicht gegangen. Sie war nicht durchtrieben oder kalt.«
»Aber sie führte die Männer an der Nase herum?«
»Das war teilweise ihre Art, mit Männern klarzukommen. Wenn sie sich an der Nase herumführen lassen wollten ...«
»Sie hat nicht mit ihnen geschlafen?«
»Nein. Und ich hätte es gewusst, glauben Sie mir.«
»Also lief anscheinend alles gut für Caroline. Es gab nichts, das sie besorgte oder bedrückte?«
Erneut das Zögern und das damenhafte Nippen am Sherry. »Nein.«
»Es ist am besten, wenn Sie uns nichts verheimlichen«, mahnte er. »Wie ich bereits gesagt habe, können Sie sich keine Vorstellung davon machen, welche Informationen in einer Ermittlung wie dieser unter Umständen wertvoll sind. Überlassen Sie bitte solche Entscheidungen uns.«
Veronica schaute ihm direkt in die Augen. In ihrem Blick erkannte er Mut, Schmerz und störrische Abwehr. Er zog die Stille in die Länge und gab dann Susan, die damit beschäftigt gewesen war, Notizen zu machen, ein diskretes Zeichen, fortzufahren.
»Veronica«, begann Susan sanft, »haben Sie von Carolines Baby gewusst?«
Dieses Mal war die Reaktion unverkennbar ehrlich. Sie verschüttete fast ihren Sherry, ihre Augen weiteten sich. »Was?«
Veronica Shildon hatte von Carolines Baby eindeutig nichts gewusst, und die Tatsache, dass sie keine Ahnung gehabt hatte, überraschte sie. Was bedeutete, folgerte Banks, dass sie wohl wesentlich mehr über Caroline wusste, als sie sich anmerken lassen wollte.
»Vor einigen Jahren bekam Caroline ein Baby«, fuhr Susan fort. »Wir können nicht genau sagen, wann, aber wir haben gehofft, dass Sie uns vielleicht weiterhelfen können.«
Veronica war lediglich in der Lage, ungläubig den Kopf zu schütteln.
»Wir nehmen an, dass sie es in London bekommen hat«, ergänzte Banks. »Deswegen würde alles, was Sie uns
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