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Inspector Alan Banks 05 In blindem Zorn

Titel: Inspector Alan Banks 05 In blindem Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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Heiligtum. Sie war eine streng schauende Frau Anfang fünfzig mit grauem Haar, das straff zurückgekämmt und fest zu einem Knoten zusammengebunden war. Die Züge eines vielleicht einmal schönen, aber harten Gesichts waren nur durch die im Alter zunehmende Rundlichkeit weicher geworden. Ihre Augen, so reserviert sie auch blickten, konnten nicht anders, als neugierig und ironisch zu funkeln. Außer ein paar Regalen, in denen Fachbücher untergebracht waren, und dem Schreibtisch und der Couch in der Ecke war das Sprechzimmer erstaunlich kahl. Ursula Kelly saß mit dem Rücken zum Panoramafenster hinter dem Schreibtisch; Banks ließ sich ihr gegenüber nieder. Sie trug eine beige Strickjacke über einer cremefarbenen Bluse. Von einem weißen Kittel war nichts zu sehen.
      »Was kann ich für Sie tun, Chief Inspector?«, fragte sie und klopfte mit der Radiergummiseite eines Bleistiftes auf einen Stoß Papiere vor ihr. Sie sprach mit einem leicht ausländischen Akzent. Österreichisch, deutsch, schweizerisch? Banks konnte ihn nicht genau einordnen.
      »Ich bin sicher, Sie wissen, warum ich hier bin«, antwortete er. »Neulich ist mein Sergeant hier gewesen. Wegen Caroline Hartley.«
      »Was ist mit ihr?«
      Banks seufzte. Es würde genauso mühsam werden, wie er erwartet hatte. Das Frage-Antwort-Spiel.
      »Ich hoffe, dass Sie mir etwas mehr erzählen können, als Sie ihm erzählt haben. Wie lange war sie Ihre Patientin?«
      »Caroline war seit drei Jahren zu mir gekommen.«
      »Ist das lange?«
      Bevor sie antwortete, schürzte Ursula Kelly ihre Lippen. »Nicht unbedingt. Manche Leute sind zehn Jahre oder mehr meine Patienten gewesen. Ich würde es nicht lang nennen, nein.«
      »Was hat ihr gefehlt?«
      Dr. Kelly ließ den Bleistift fallen und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Sie musterte Banks lange, bevor sie antwortete. »Lassen Sie mich eines klarstellen«, sagte sie schließlich. »Ich bin keine Ärztin, ich bin Analytikerin und arbeite in erster Linie nach der Jung'schen Methode, wenn Ihnen das etwas sagt.«
      »Ich habe von Jung gehört.«
      Sie hob ihre Augenbrauen. »Gut. Also, ohne jetzt ins Detail zu gehen - man muss nicht krank sein, um zu mir zu kommen. In dem Sinn, den Sie wohl meinten, hat Caroline Hartley nichts gefehlt.«
      »Warum hat sie Sie dann aufgesucht? Und hat gezahlt? Ich nehme mal an, dass Ihre Dienste nicht gratis sind.«
      Dr. Kelly lächelte. »Ihre auch nicht, oder? Sie kam zu mir, weil sie unzufrieden war und spürte, dass ihre Unzufriedenheit sie davon abhielt, vollständig zu leben. Aus diesem Grund kommen die Leute zu mir.«
      »Und Sie machen sie glücklich und zufrieden?«
      Sie lachte. »Wenn es so einfach wäre. Eigentlich beschränkt sich meine Arbeit aufs Zuhören. Wenn der Patient die Zusammenhänge selbst erkennt, dann ist die Wirkung umso nachhaltiger. Die Menschen, die mich konsultieren, haben im Allgemeinen das Gefühl, dass ihr Leben leer ist, dass sie Illusionen hinterherrennen, wenn Sie so wollen. Sie sind sich ihrer Möglichkeiten sehr wohl bewusst, sie wissen, dass das Leben mehr bedeuten sollte, als es bei ihnen der Fall ist. Sie wissen, dass sie dazu imstande sind, mehr zu erreichen und mehr zu fühlen. Aber sie sind emotional wie betäubt. Deshalb kommen sie zur Analyse. Ich bin keine Psychiaterin. Ich verschreibe keine Medikamente. Ich behandele keine Schizophrenen oder Psychotiker. Ich behandele Menschen, die man, von außen, als völlig normal betrachten würde.«
      »Und von innen?«
      »Bestehen wir im Inneren nicht alle aus einem Wust von Widersprüchen? Unsere Eltern haben uns, ob sie es nun wollten oder nicht, eine Menge vermacht, ohne dem es uns wesentlich besser gehen würde.«
      Banks dachte an Gary Hartley und die schrecklichen Schwierigkeiten, mit denen er leben musste. Und er dachte an das Gedicht von Philip Larkin, das Veronica Shildon zitiert hatte.
      »Können Sie mir denn etwas über Caroline Hartleys Probleme erzählen?«, fragte er. »Dinge, die helfen, den Mord an ihr zu klären?«
      »Ich verstehe Ihr Anliegen«, antwortete Ursula Kelly, »und glauben Sie mir, ich habe vollstes Verständnis für Ihre Aufgabe, aber ich kann Ihnen nichts erzählen.«
      »Können Sie nicht oder wollen Sie nicht?«
      »Dies zu beurteilen überlasse ich Ihnen. Aber glauben Sie nicht, dass ich Ihre Ermittlung behindern möchte. Caroline und ich arbeiteten an Kindheitstraumata, die oft im höchsten

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