Inspector Alan Banks 05 In blindem Zorn
gesellte sich zu ihnen. »Haben Sie den Mörder gefunden?«
Banks ging nicht darauf ein und nahm seinen Teebecher. »Sagen Sie«, fragte er stattdessen, »wo sind Sie hingefahren, als Sie an dem Abend, als Caroline Hartley ermordet wurde, Ihren Parkplatz hinter dem Lobster Inn verlassen haben?«
Patsy starrte mit weit aufgerissenen Augen auf seine Brusttasche, ängstlich wie ein gejagtes Reh. »Ich ... ich ... Sie können nicht von mir erwarten, dass ich mich so spontan an eine bestimmte Nacht erinnere. Hier draußen ist ein Tag wie der andere.«
»Das kann ich mir vorstellen, aber es handelt sich um den Abend vor meinem letzten Besuch. Damals habe ich Sie sehr ausdrücklich gefragt, wo Sie in der vorherigen Nacht gewesen waren, und Sie beide haben behauptet, zu Hause gewesen zu sein. Jetzt frage ich Sie erneut.«
Patsy zuckte mit den Achseln. »Wenn ich gesagt habe, dass ich zu Hause war, dann wird das wohl so gewesen sein.«
»Aber Sie wurden beim Wegfahren vom Parkplatz gesehen.«
»Das muss jemand anderes gewesen sein.«
»Das glaube ich nicht. Es sei denn, Sie haben die Angewohnheit, Ihr Auto zu verleihen. Wo sind Sie hingefahren?«
Sie rührte einen Löffel Zucker in ihren Tee und schaute beim Sprechen in den dampfenden Becher. »Ich kann mich nicht entsinnen, irgendwo hingefahren zu sein, aber vielleicht bin ich einfach so herumgefahren. Das mache ich manchmal. Aber ich war bestimmt nicht lange weg. An der Küste gibt es ein paar schöne Aussichtspunkte, zu denen man mit dem Wagen rausfahren sollte. Sonst muss man ewig gehen, um sie zu finden.«
»Bei diesem Wetter?«
»Sicher. Ich würde kaum hier leben, wenn ich ein bisschen raues Wetter nicht ertragen könnte, oder? Ich mag es, wenn das Meer so richtig aufgewühlt ist.«
Sie hatte anscheinend ihre Fassung wiedererlangt, aber Banks glaubte ihre Geschichte immer noch nicht. »Warum haben Sie diese Spazierfahrt nicht erwähnt?«
Sie lächelte in den Kamin. »Sie kam mir wohl nicht wichtig vor. Ich meine, das hatte ja nichts mit Ihren Fragen zu tun.«
»Sind Sie allein gefahren?«
Sie zögerte, dann antwortete sie: »Ja.«
»Wo war Mr Ivers?«
»Hier, er hat gearbeitet.«
»Und wer hat dann seinen Wagen benutzt?«
Ihre Hand ging zum Mund. »Ich ... ich verstehe nicht...«
»Es ist wirklich ganz einfach, Ms Janowski. Sein Wagen stand nicht am üblichen Platz. Wenn er hier gearbeitet hat, wer hat ihn dann benutzt?«
Durch das Knarren der Treppe wurde Patsy davor bewahrt, eine Antwort geben zu müssen. Ivers kam herunter. Er war mit ähnlich ausgebeulten Jeans und einem weiten Jerseypullover bekleidet wie bei Banks' erstem Besuch, aber diesmal hatte er sein halblanges, graues Haar zurückgekämmt. Er duckte sich unter dem niedrigen Türbalken und trat in das Zimmer, wo seine Größe und seine hageren Züge Aufmerksamkeit abnötigten. In dem Zimmer war es schon mit drei Personen ziemlich gedrängt gewesen, mit einer vierten aber wirkte es überfüllt und unangenehm eng.
»Was ist los?«, fragte er und schaute zu Patsy, die ihre volle Unterlippe zwischen den Fingern knetete und aus dem Fenster starrte.
Banks stand auf. »Ah, Mr Ivers. Kommen Sie bitte zu uns. Setzen Sie sich.«
»In meinem eigenen Haus muss mir nicht Platz angeboten werden«, brummte Ivers, setzte sich jedoch hin.
Banks zündete sich eine neue Zigarette an und lehnte sich gegen den steinernen Kaminsims. Da er selbst kein großer Mann war, suchte er den Vorteil einer erhöhten Position. Susan blieb mit dem Notizbuch auf ihrem Schoß da, wo sie war. Ivers guckte sie nervös an, aber Banks stellte sie nicht vor.
»Wir haben gerade über das Gedächtnis geredet«, erklärte er. »Das kann einen ja manchmal ganz schön täuschen.«
Ivers runzelte die Stirn. »Verstehe ich nicht.«
»Scheint einigen so zu gehen«, beharrte Banks.
»Mr Ivers«, begann Susan, »wohin sind Sie am Abend des zweiundzwanzigsten Dezember gefahren?«
Er starrte sie an, schien sie aber nicht zu sehen, wandte sich dann an Banks und umklammerte dabei die Lehnen seines Stuhls. Auf so drohende Weise wie möglich streckte er sich nach vorn. »Was soll das? Was wollen Sie damit sagen?«
Banks schnippte Asche in das Feuer. »Ich stelle Ihnen lediglich eine einfache Frage«, erklärte er. »Wohin sind Sie gefahren?«
»Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass ich nirgendwohin gefahren
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