Inspector Alan Banks 05 In blindem Zorn
dann hätte ich es vor zwei Jahren getan. Jetzt aber habe ich ein neues Leben, mit Patsy. Es war hart, so weit zu kommen, aber mittlerweile bin ich über Veronica hinweg.«
»Trotzdem haben Sie ihr ein besonderes Weihnachtsgeschenk gemacht. Eine ziemlich sentimentale Geste, finden Sie nicht?«
»Ich habe nie behauptet, nichts mehr für sie zu empfinden. Nach so langer Zeit kann man nichts dagegen machen. Wegen ihr bin ich durch die Hölle gegangen, aber das ist vorbei.« Er nahm Patsys Hand. »Ich bin jetzt glücklicher als jemals zuvor.«
Es war das zweite Mal, dass Banks gehört hatte, wie jemand darauf verwies, zwar vor einigen Jahren ein Motiv gehabt zu haben, Caroline zu töten, aber nicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Ivers' Geschichte klang allerdings glaubwürdiger als Gary Hartleys. Vor allem deshalb, weil Ivers mit einer attraktiven, jungen Frau, einem behaglichen Cottage am Meer und seiner Musik ganz offensichtlich ein angenehmes Leben führte. Gary Hartley besaß nichts. Auf der anderen Seite könnte Ivers leicht seine Beherrschung verloren haben und wegen irgendeiner Bemerkung auf Caroline losgegangen sein. Nachdem all die großen Probleme schließlich überwunden waren, konnte manchmal eine anscheinend unwichtige Angelegenheit doch noch einen Wutausbruch auslösen. Es gab keinen echten Beweis, der auf eine der Möglichkeiten wies, obwohl der Gebrauch eines in Reichweite liegenden Messers auf eine spontane Tat hindeutete. Wenn er Claude Ivers jetzt wegen Mordes festnahm, dann würde es kaum für eine Anklage reichen.
»Ich möchte, dass Sie morgen früh im Polizeirevier in Eastvale vorbeikommen und eine Aussage unterschreiben«, erklärte Banks und gab Susan ein Zeichen, ihr Notizbuch zu schließen.
»Muss ich ...? Meine Arbeit...«
»Sosehr ich auch Ihre Musik schätze, Mr Ivers«, beharrte Banks, »ich fürchte, Sie müssen.« Er lächelte. »Sehen Sie es doch mal so: Das ist wesentlich besser, als wegen Mordes angeklagt zu werden und die Silvesternacht mit Betrunkenen in einer Zelle zu verbringen.«
»Sie klagen mich nicht an?«
»Noch nicht. Aber ich möchte, dass Sie bleiben, wo ich Sie finden kann. Alle unerwarteten Schritte von Ihrer Seite werden jedenfalls als sehr verdächtiges Verhalten gewertet.«
Ivers nickte. »Ich werde nirgendwohin gehen.«
»Gut. Dann sehen wir uns morgen.«
Banks und Susan marschierten den gewundenen Pfad hinab zurück zum Wagen. Zu ihrer Linken, nur teilweise von Nebelschwaden verdeckt, lag ruhig das Meer; nur kleine Wellen klatschten und zischten auf den Sandstrand. Banks fragte sich, wie Ivers' winterliche Meeresmusik klingen mochte. Vielleicht so ähnlich wie Peter Maxwell Davies' 3. Symphonie oder die »Sea Interludes« aus Brittens Peter Grimes. In dem Projekt steckten auf jeden Fall eine Menge Möglichkeiten.
Sie hatten gerade die Straße erreicht, als Banks eine Gestalt bemerkte, die hinter ihnen herlief. Es war Patsy Janowski und sie hatte nicht einmal einen Mantel angezogen. Als die beiden sich umdrehten, stand sie zitternd, die Arme um die Brust geschlungen, vor ihnen. »Ich muss mit Ihnen reden«, japste sie. »Bitte. Es ist wirklich wichtig.«
Banks nickte. »Nur zu.«
Sie schaute sich um. »Können wir nicht irgendwohin gehen? Ich friere.«
Sie standen vor dem Lobster Inn; einen besseren Ort zum Reden konnte sich Banks nicht vorstellen. Sie gingen hinein und fanden das Lokal bis auf den Wirt und zwei kauzige alte Männer, die sich an der Theke unterhielten, fast verlassen vor. Der große Raum war kalt und zugig, selbst vor dem Kamin, wo sie sich hinsetzten. Das Feuer brannte zweifellos noch nicht lange und der Pub hatte sich noch nicht erwärmt.
Banks ging an die Theke. Die zwei alten Männer schauten kurz verstohlen in seine Richtung und redeten dann leise in ihrem breiten lokalen Dialekt weiter. Der Wirt schlurfte herbei, baute sich vor Banks auf und trocknete ein Glas ab. Weder sagte er einen Ton noch schaute er auf. Banks war es schleierhaft, wie Jim Hatchley aus einem so schweigsamen Kerl Informationen herausbekommen hatte. Eines Tages würde er Jim einmal fragen müssen, wie ihm das gelungen war.
Er bestellte drei Whiskys und der Wirt schlenderte ohne ein Wort davon. Die gesamte Transaktion wurde schweigend vollzogen. Als Banks zurück zum Tisch kam, kauerten Patsy und Susan Gay vor dem spärlichen Feuer und versuchten, sich aufzuwärmen.
»Die Kälte macht mir
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