Inspector Alan Banks 05 In blindem Zorn
Und das ist die Wahrheit, ob Sie mir nun glauben oder nicht.«
»Mir würde es leichter fallen, Ihnen zu glauben, wenn Sie mir das gleich beim ersten Mal erzählt hätten«, sagte Banks. »Sie haben viel von unserer Zeit vergeudet.«
»Ich habe Ihnen ja bereits erklärt, warum ich es Ihnen nicht erzählen konnte. Großer Gott, was hätten Sie in meiner Lage getan?«
Banks hasste es immer, wenn ihm Leute diese Frage stellten. In neunundneunzig Prozent der Fälle hätte er genau das Gleiche getan wie sie: das Falsche.
»Hätten Sie sich nicht denken können, dass wir den Käufer der Platte herausfinden?«
Ivers zuckte mit den Achseln. »Ich habe keine Ahnung von Ihrer Arbeit. Ich lese keine Kriminalromane und schaue mir keine Polizeiserien im Fernsehen an. Wir haben nicht mal einen Fernseher. Noch nie gehabt. Ich wusste, dass ich keine Geschenkkarte an die Platte geheftet hatte, das ist mir eingefallen, kurz nachdem ich von Veronica weggefahren bin. Als Sie bei Ihrem letzten Besuch Vivaldi erwähnten, war ich mir deshalb ziemlich sicher, dass Sie nur vermuteten, dass ich es war. Sie haben mich nie direkt gefragt, ob ich ihr die Platte gegeben habe oder nicht.«
»Als Sie gegangen sind«, sagte Banks, »war da die Platte noch eingepackt oder schon ausgepackt?«
»Natürlich noch eingepackt. Warum sollte sie ausgepackt worden sein?«
»Das weiß ich nicht. Aber sie war ausgepackt. Könnte es Caroline getan haben?«
»Vielleicht - wahrscheinlich um sich über mich und meinen Geschmack lustig zu machen. Sie fand immer, ich wäre ein alter Langweiler. Gegenüber Veronica äußerte sie mal, in ihren Ohren würde meine Musik so klingen wie die Blähungen eines verstopften Kamels.«
Wenn Ivers die Wahrheit sagte, überlegte Banks, wer hatte dann die Schallplatte ausgepackt? Hatte es Caroline aus boshafter Neugier getan - »Hallo, Liebling, guck mal, was der langweilige alte Knacker dir zu Weihnachten geschenkt hat!« - oder war Veronica Shildon zum Haus zurückgekehrt und hatte sie selbst ausgepackt? Aber warum sollte sie das mit einem Weihnachtsgeschenk tun? Bestimmt hätte sie die Platte mit den anderen Geschenken unter den Weihnachtsbaum gelegt und bis zum Morgen des fünfundzwanzigsten Dezember gewartet. Und mit Sicherheit hätte sie etwas so Banales nicht getan, nachdem sie in das Zimmer gekommen war und Carolines Leiche gefunden hatte.
»Haben Sie ihr erzählt, um was für ein Geschenk es sich handelt?«, fragte Banks.
»Nicht detailliert.«
»Was haben Sie gesagt?«
»Nur, dass es sich um etwas ganz Besonderes für Veronica handelte.«
»Wie hat Caroline reagiert?«
»Gar nicht. Sie hat das Geschenk nur angeglotzt und dann hingelegt.«
»Haben Sie mit ihr gestritten?«
Ivers schüttelte den Kopf. »Diesmal nicht, nein. Wir waren kühl, aber zivilisiert. Wie gesagt, ich war keine fünf Minuten da.«
»Was haben Sie dann getan?«
»Ich fuhr rüber zum Einkaufszentrum. Ich wollte auf den letzten Drücker noch ein paar Sachen kaufen, die ich hier im Dorf nicht kriegen konnte. Dann bin ich nach Hause gefahren.«
»Was für Sachen?«
Ivers runzelte die Stirn. »Ach, ich weiß nicht mehr. Bücher; einen Pullover, den Patsy haben wollte, eine Kiste guten Bordeaux ... solche Sachen.«
»Sie haben nicht zufällig Ihre Frau im Einkaufszentrum gesehen?«
»Nein. Wenn ja, dann hätte ich es gesagt. Das Einkaufszentrum ist ziemlich groß und es war sehr voll.«
»Warum sind Sie an diesem Abend vor allem nach Eastvale gefahren?«
»Weil Weihnachten vor der Tür stand und Patsy und ich ... also, ich warte mit allen Dingen immer bis zuletzt und wir wollten während der nächsten Tage nicht raus. Ich arbeite gerade an einem komplexen Musikstück. Es dreht sich um die Rhythmen des winterlichen Meeres, deshalb will ich nicht länger als nötig von hier weg sein. Vor Anfang des neuen Jahres habe ich keine weiteren Verpflichtungen, deshalb dachte ich, ich erledige die Einkäufe und gebe Veronicas Geschenk ab, um dann genug Zeit für mich zu haben.« Er kehrte zu dem Stuhl zurück und begann, seine Pfeife neu zu stopfen. »Glauben Sie mir, mehr steckte nicht dahinter. Ich habe niemanden ermordet. Das könnte ich gar nicht. Nicht mal jemanden, den ich so hasse, wie ich Caroline Hartley gehasst habe. Wenn ich dumm genug gewesen wäre, zu glauben, dass mir die Ermordung von Caroline Veronica zurückbringen würde,
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