Inspector Alan Banks 07 Die letzte Rechnung
ich das Seil zerschnitten und dann meine Mama losgemacht.« Sie rutschte auf ihrem Stuhl umher. »Ich mache mir Sorgen um Mama. Sie ist nicht mehr sie selbst. Sie will nichts essen. Was wird mit ihr passieren?«
»Mir geht es gut, Alison, mein Schatz. Du musst dir keine Sorgen machen.«
Die Stimme kam von der Tür, Banks drehte sich um und sah zum ersten Mal Mrs. Rothwell. Sie war eine große Frau mit kurzem grauem Haar und feingliedrigen, kantigen Zügen, wobei die kleine Nase vielleicht etwas zu scharf geschnitten war. Der Abstand zwischen der Nase und ihrer schmalen Oberlippe schien ungewöhnlich groß zu sein, dachte Banks, was ihrem geneigten Kopf eine überhebliche, herrische Note verlieh. Und Banks konnte sehen, von wem Alison ihren kleinen Mund hatte.
Ihre kastanienbraunen Augen sahen trübe aus, Banks vermutete, dass die Beruhigungsmittel, die ihr Dr. Burns verschrieben hatte, schuld daran waren. Wahrscheinlich erklärten die Pillen auch ihre schlaffen Bewegungen. Ihre Haut war blass, fast blutleer, obwohl Banks auffiel, dass sie sich etwas geschminkt hatte. Sie hatte sogar die größten Anstrengungen unternommen, den besten Eindruck zu machen. Schwarze Seidenhosen lagen über ihren schmalen, knabenhaften Hüften; dazu trug sie einen Zopfmusterpullover mit einem Regenbogenmotiv, der für Banks unwissendes Auge nach einem exklusiven Designerstück aussah. Auf jeden Fall hatte er so etwas noch nie gesehen. Selbst in ihrem mit Beruhigungsmitteln gedämpften Kummer hatte sie etwas Kontrolliertes, Herrisches und Aufmerksamkeit Forderndes an sich, eine Art im Zaum gehaltener Kraft.
Sie setzte sich in den anderen Sessel, schlug die Beine übereinander und faltete die Hände auf dem Schoß. Banks bemerkte die dicken Ringe an ihren Fingern: Diamanten, ein großer Rubin und ein breiter, goldener Ehering.
Banks stellte sich vor und sprach ihr sein Beileid aus, das sie mit einer leichten Neigung des Kopfes entgegennahm.
»Leider muss ich Ihnen ein paar unangenehme Fragen stellen, Mrs. Rothwell«, sagte er.
»Nicht über letzte Nacht«, erwiderte sie und fasste mit einer Juwelen besetzten Hand an ihren Hals. »Ich kann darüber nicht reden. Ich fühle mich schwach, meine Stimme versagt und ich kriege einfach kein Wort heraus.«
»Mama«, sagte Alison. »Ich habe ihm ... davon erzählt. Nicht wahr?« Und sie schaute Banks an, als sollte er sich davor hüten, ihr zu widersprechen.
»Ja«, sagte er. »Eigentlich wollte ich Ihnen keine speziellen Fragen stellen. Wir brauchen nur mehr Informationen über die Tätigkeiten Ihres Mannes. Können Sie uns helfen?«
Sie nickte. »Entschuldigen Sie, Chief Inspector. Normalerweise bin ich nicht so durcheinander.« Sie berührte ihr Haar. »Ich muss furchtbar aussehen.«
Banks murmelte ein Kompliment. »Hatte Ihr Mann Feinde, von denen Sie wussten?«, fragte er.
»Nein. Keine. Aber andererseits hat er mich mit den Einzelheiten seiner Arbeit auch nicht belästigt. Ich habe wirklich keine Ahnung, mit welcher Art von Leuten er zu tun hatte.« Sie sprach mit dem Akzent Eastvales, bemerkte Banks, der jedoch durch einige Stunden Sprecherziehung abgeschliffen worden war. Sprecherziehung. Er hatte nicht geglaubt, dass man heutzutage noch solche Stunden nahm.
»Er hat also seine Arbeit sozusagen nie mit nach Hause gebracht?«
»Nein.«
»Ist er viel gereist?«
»Meinen Sie ins Ausland?«
»Wohin auch immer.«
»Nun, er ist ab und zu ins Ausland gereist, geschäftlich. Außerdem haben wir natürlich Urlaub gemacht, in Mexiko, Hawaii oder auf den Bermudas. Geschäftlich bedingt ist er auch in der Gegend herumgereist. Er war oft unterwegs.«
»Wo zum Beispiel?«
»Ach, überall. Leeds, Manchester, Liverpool, Birmingham, Bristol. Manchmal auch in London oder in Europa. Er hatte einen sehr wichtigen Job. Er war ein ausgezeichneter Finanzberater und sehr gefragt. Keith konnte sich seine Klienten aussuchen, er musste nicht jeden Auftrag annehmen, der sich ihm anbot.«
»Sie erwähnten Finanzberatung. Was genau hat er getan?«
Mit langen, knochigen Finger zupfte sie an der Wolle ihres Kragens. »Wie gesagt, er hat mir nicht viel von seiner Arbeit erzählt, auf jeden Fall nicht die Einzelheiten. Er war ausgebildet als Bilanzbuchhalter, aber das war nur ein Teil seiner Beschäftigung. Er hatte ein Talent für Zahlen. Er beriet die Leute in Geldanlagen und half Firmen aus Schwierigkeiten. Ich
Weitere Kostenlose Bücher