Inspector Alan Banks 07 Die letzte Rechnung
krachte es so laut am Himmel, dass die Fenster klapperten.
Einmal entfesselt, kannte die Gestalt seines Zorns keine Grenzen mehr. So, wie sich sein Zorn vorher in Gewalt Bahn gebrochen hatte, verwandelte er sich im Schlaf in unheimliche und entstellte Bilder. Banks erwachte aus einem Albtraum und glitt sofort in einen anderen. Regen peitschte gegen die Fenster und im Hintergrund war ein unablässiges Zischen zu hören, ein Zischen, das es anscheinend in jedem Hotelzimmer gab.
In seinem schlimmsten Albtraum, in dem, an den er sich am deutlichsten erinnern konnte, sprach er am Telefon mit einer Frau, die aus Versehen seine Nummer gewählt hatte. Sie klang verwirrt, und je länger sie sprach, desto länger wurden die Pausen zwischen ihren Worten. Schließlich verstummte sie völlig. Banks rief ein paar Mal hallo, dann legte er auf. Kaum hatte er das getan, wurde er von Panik erfasst. Die Frau war dabei, Selbstmord zu begehen. Er wusste es. Sie hatte eine Überdosis Tabletten genommen und war noch während des Telefonats bewusstlos geworden. Er kannte weder ihren Namen noch ihre Telefonnummer.
Wenn er am Telefon geblieben wäre und nicht aufgelegt hätte, wäre er in der Lage gewesen, sie ausfindig zu machen und ihr Leben zu retten.
Als er aufwachte, fühlte er sich schuldig und deprimiert. Und nicht nur seine Seele war angegriffen. Sein Kopf hämmerte von zu viel Alkohol und der Kopfnuss, die er einem seiner Angreifer verpasst hatte; in seiner Brust spürte er ein Stechen vom Rauchen, seine Fingerknöchel schmerzten, und die Seite, mit der er gegen die Mauer geschleudert worden war, fühlte sich wund an. Sein Mund war so trocken wie der Boden eines Vogelkäfigs und der Geschmack war so sauer wie Monate alte Milch. Als er aufstand, um zur Toilette zu gehen, durchdrang ein stechender Schmerz seine Kniescheibe, und er merkte, dass er humpelte. Er fühlte sich wie ein Neunzigjähriger. Er nahm drei extrastarke Schmerztabletten aus seiner Reiseapotheke und spülte sie mit zwei Gläsern kalten Wassers hinunter.
Den eckigen roten Zahlen der Digitaluhr zufolge war es vier Uhr dreiundzwanzig am Morgen. Autos zischten durch die Pfützen auf der Straße. Hinter den Kanten der Vorhänge konnte er das trübe, bernsteinfarbene Glühen der Straßenlaternen sehen und manchmal einen Blitz in der Ferne. Das Unwetter zog nach Norden ab.
Er wollte nicht wach sein, er schien aber auch keinen Schlaf mehr zu finden. Er konnte nur voller Selbstmitleid daliegen und unaufhörlich daran denken, was für ein verdammter Idiot er gewesen war. Was mit dem Ertränken seines Kummers in Alkohol als kindische Zügellosigkeit begonnen hatte, war in einen ausgewachsenen Anfall von Dummheit ausgeartet, und sowohl seine aufgeschlagenen Knöchel als auch die leere Scotchflasche neben seinem Bett waren hinreichend Beweis dafür.
Nach der Prügelei war er zurück ins Hotel gelaufen und geradewegs hoch in sein Zimmer geeilt, bevor jemand seine blutigen Knöchel und seine zerrissene Jacke bemerken konnte. Sicher dort angekommen, hatte er sich ein ordentliches Glas eingeschenkt, um sein Zittern zu stoppen. Auf dem Bett liegend und bis zum Sendeschluss fernsehend, hatte er sich noch ein Glas eingeschenkt und dann noch eines. Bald war die kleine Flasche leer und er eingeschlafen. Jetzt musste er dafür büßen. Er hatte einmal gehört, dass Schuld und Scham untrennbar zu den Leiden eines Katers gehörten, und um vier Uhr zweiunddreißig an diesem Morgen zweifelte er kein bisschen daran.
Um vier Uhr zweiunddreißig am Morgen rutschte man mit seinen Gedanken verdammt leicht in den Sumpf der Traurigkeit und der Selbstanschuldigungen. Wenn man sich um vier Uhr zweiunddreißig krank fühlte, wusste man einfach, dass man Krebs hatte; wenn man um vier Uhr zweiunddreißig deprimiert war, erschien Selbstmord als einziger Ausweg. Vier Uhr zweiunddreißig ist die perfekte Zeit für Angst und Selbstekel, die Zeit der dunklen Seite der Seele.
Aber es hatte keinen Sinn, sagte er sich. Sich selbst zu bemitleiden machte verdammt noch mal keinen Sinn. Er war also nicht perfekt. Er hatte mit dem Gedanken gespielt, Ehebruch zu begehen. Na und? Da war er nicht der Erste und er würde auch nicht der Letzte sein. Er fühlte sich verantwortlich für Pamela Jeffreys Verletzungen. Vielleicht, vielleicht hätte er sich anders verhalten sollen, als er bemerkt hatte, dass er verfolgt wurde, und jeden, mit dem er gesprochen hatte, bewachen lassen
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