Inspector Alan Banks 08 Der unschuldige Engel
machen Sie hier?«
Batorac lächelte ironisch. »Ich bin Automechaniker. Zum Glück musste man in Kroatien seinen Wagen selbst reparieren können.« Er zuckte mit den Achseln. »Es ist ein guter Job. Die Bezahlung ist nicht toll, aber mein Chef behandelt mich gut.«
Ein Baby begann zu schreien. Batorac entschuldigte sich für einen Augenblick und ging nach oben. Während er wartete, nahm Banks die Bücher genauer unter die Lupe: Dickens, Hardy, Keats, Austen, Balzac, Flaubert, Coleridge, Tolstoi, Dostojewski, Milton, Kafka ... Einige davon hatte er gelesen, bei vielen anderen handelte es sich jedoch um Bücher, die er schon immer lesen wollte, ohne es jemals geschafft zu haben. Das Baby hatte sich beruhigt und Batorac kam zurück.
»Entschuldigen Sie«, sagte er. »Eine Freundin von uns passt tagsüber auf die kleine Jelena auf, wenn wir arbeiten. Und wenn sie dann nach Hause gebracht wird ... wie sagt man ... vermisst sie ihren Vater und ihre Mutter?«
Banks lächelte. »Ja, das stimmt. Sie hat Sie vermisst.«
»Hat vermisst. Genau. Manchmal komme ich mit den Zeiten durcheinander. - Weshalb wollten Sie mit mir sprechen? Nehmen Sie doch Platz.«
Banks setzte sich hin. Dieses Haus sah weder so aus noch roch es so, als könnte man rauchen, besonders da ein Baby in der Nähe war; also fand er sich damit ab, es zu unterlassen. Schaden würde es ihm bestimmt nicht.
»Erinnern Sie sich«, begann er, »dass Sie, als Sie vor ein paar Monaten von der hiesigen Polizei über einen bestimmten Abend befragt wurden, aussagten, mit Ive Jelacic Karten gespielt zu haben?«
Batorac nickte. »Ja. Es stimmte. Wir spielen jeden Montag Karten. Dragica, meine Frau, ist sehr nachgiebig. Aber nur montags.« Er lächelte. »Dienstags muss ich nicht zur Arbeit, deswegen reden und spielen wir manchmal bis spät in die Nacht.«
»Und trinken?«
»Ja. Ich trinke nicht viel, weil ich mit dem Wagen nach Hause fahre. Die Straßen sind nachts nicht sicher. Aber ein bisschen trinke ich auch. Wenig.«
»Und Sie sind sich absolut sicher, dass Sie an diesem Montag, den 6. November, mit Stipe Pavic und Ive Jelacic in Mile Pavelics Haus Karten gespielt haben?«
»Ja. Ich schwöre auf die Bibel! Ich lüge nicht, Inspector.«
»Ich unterstelle Ihnen nichts. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir bei solchen Dingen sehr gründlich sein müssen. War Jelacic die ganze Zeit dabei?«
»Ja.«
»Er hat gesagt, er wäre zu Fuß zu Mr Pavelics Haus und zurückgegangen. Macht er das immer so?«
»Ja. Er wohnt nur ungefähr fünfhundert Meter weit weg, hinter der Müllkippe.«
»Mich würde interessieren, Mr Batorac ...«
»Sagen Sie doch Vjeko, bitte.«
»Schön, Vjeko. Mich würde interessieren, wie Sie vier zusammengekommen sind. Nehmen Sie es mir nicht übel, aber Sie und Ive Jelacic scheinen mir zwei sehr unterschiedliche Menschen zu sein.«
Vjeko lächelte. »Hier in Leeds gibt es nicht viele Landsleute von mir«, sagte er. »Wir haben Klubs und Vereine, wo wir uns treffen, um Nachrichten aus der Heimat zu hören und über Politik zu reden. Ein sehr gutes Netzwerk, kann man wohl sagen. Ive kennt Mile aus der Heimat. Sie sind beide aus Split. Ich habe Stipe hier in Leeds kennen gelernt. Er ist aus Zagreb und ich bin aus Dubrovnik, das ist weit auseinander. Waren Sie mal in Dubrovnik, Chief Inspector?«
Banks schüttelte den Kopf.
»Eine sehr schöne Stadt. Sie hat eine lange Geschichte und viel antike Architektur. Vor dem Krieg sind viele englische Touristen gekommen. Sie haben etwas verpasst. Vielleicht für immer.«
»Wann sind Sie hierher gekommen?«
»1991, nach der Belagerung. Ich konnte es nicht ertragen, mit anzusehen, wie meine Heimat zerstört wurde.« Er klopfte auf seine Brust. »Ich bin Dichter, kein Soldat, Chief Inspector. Und meine Gesundheit ist nicht stabil. Ich habe nur einen Lungenflügel.« Vjeko zuckte mit den Achseln. »Als Ive aus Eastvale hierher gezogen ist, kam er in Kontakt mit uns. Er hat uns erzählt, dass seine Eltern bei den Kämpfen getötet worden sind. Viele von uns haben Freunde und Verwandte im Krieg verloren. Ich habe vor zwei Jahren meine Schwester verloren. Vergewaltigt und massakriert von serbischen Soldaten. Das verbindet uns. Eine Verbindung, die über - sagt man das so? - die über den Charakter hinausgeht. Danach begannen wir uns regelmäßig zum Reden und Kartenspielen zu treffen.« Er
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