Inspector Alan Banks 08 Der unschuldige Engel
lächelte. »Aber nicht um Geld. Da wäre meine Dragica nicht mehr so nachgiebig.«
Wie aufs Stichwort ging die Eingangstür auf und eine hübsche, kleine junge Frau mit dunklem Haar und funkelnden Augen kam herein. »Wobei wäre deine Dragica nicht mehr so nachgiebig?«, fragte sie mit einem Lächeln, ging zu Vjeko und küsste ihn liebevoll, ehe sie sich umwandte, um Banks neugierig anzuschauen.
Vjeko erzählte ihr, wer Banks war und warum er da war. »Ich sagte, du wärst nicht so nachgiebig, wenn wir um Geld Karten spielen würden.«
Dragica boxte ihn neckisch gegen die Schulter und hockte sich auf die Sofalehne. »Manchmal frage ich mich«, sagte sie, »warum du die ganze Nacht mit diesen Leuten Karten spielen musst, anstatt deine Frau im Bett zu wärmen und aufzustehen, wenn die kleine Jelena schreit. Besonders Ive Jelacic ist nichts als ein nutzloser pijanac.«
»Pijanac?«, wiederholte Banks. »Was bedeutet das?«
»Säufer«, sagte Vjeko. »Ja, Ive ist... er trinkt einfach zu viel. Er ist kein angenehmer Mensch, Inspector. Sie dürfen von Ive nicht auf meine Landsleute schließen. Und die Tragödie in seinem Leben zählt für mich nicht als Ausrede für sein Verhalten. Er lügt. Er ist ein Angeber. Aber vor allem ist er habgierig. Manchmal schlägt er vor, um Geld Karten zu spielen, aber ich weiß, dass er betrügt. Gegenüber Frauen benimmt er sich auch schlecht. Dragica kann ihn nicht ertragen.«
»Das stimmt«, erzählte Dragica Banks und musste sich bei dem Gedanken schütteln. »Er zieht Frauen mit den Augen aus.«
Banks erinnerte sich an Susan Gays Reaktion auf Jelacics Gafferei und nickte.
»Bitte entschuldigen Sie mich«, sagte Dragica. »Ich muss mich um Jelena kümmern.« Dann ging sie nach oben.
»Außerdem ist er grob«, fuhr Vjeko fort. »Unhöflich. Und ich habe schon erlebt, wie er in Pubs gewalttätig geworden ist und Prügeleien angezettelt hat, wenn er betrunken war.« Er lachte. »Wenn ich das jetzt so sehe, frage ich mich, warum ich mich überhaupt mit ihm abgebe. Er ist mir ein Rätsel. Aber eines kann ich Ihnen mit Sicherheit sagen: Ive würde nicht auf diese Weise ein junges Mädchen töten. Niemals. Bei einer Prügelei in einem Pub könnte er vielleicht jemanden umbringen, aber nicht so, nicht jemanden, der schwächer ist als er. Wir machen uns immer darüber lustig, dass Ive jedes Mal auf Leute trifft, die größer sind als er, und normalerweise den Kürzeren zieht.«
»Wissen Sie, warum Mr Jelacic aus Eastvale weggezogen ist?«, fragte Banks.
»Er hat uns erzählt, dass ein svecenik, ein Mann Gottes, sich an ihn herangemacht hat.«
»Sie sagten, er wäre ein Lügner. Glauben Sie seine Geschichte?«
Vjeko schüttelte den Kopf. »Nein. Ich glaube, es stimmt nicht. Ich habe gehört, wie er darüber gesprochen hat, und ich glaube, er hat das aus Rache behauptet, weil er seinen Job verloren hat.«
»Wenn das stimmt«, sagte Banks, »dann hat er Daniel Charters unberechtigterweise eine Menge Kummer gemacht.«
Vjeko breitete seine Arme aus. »Was soll man machen? Ich kannte Ive in Eastvale nicht, damals, als das passierte, und Pfarrer Daniel Charters kenne ich auch nicht. Vielleicht ist er ein guter Mann, vielleicht nicht. Aber ich glaube, dass Ive nichts mehr an seiner Rache liegt. Er hat genug gehabt. Das Problem ist, dass er Anwälte und Menschenrechtler aus unseren Reihen in die Sache hineingezogen hat. Es ist nicht so leicht für ihn, ihnen zu sagen, dass alles eine Lüge war, ein Irrtum oder ein Scherz. Er würde sein Gesicht verlieren.«
»Und sein Gesicht zu wahren ist ihm wichtig?«
»Ja.«
Dragica kam mit der schlafenden Jelena im Arm zurück und sagte etwas auf Kroatisch. Vjeko nickte und sie ging in die Küche.
»Dragica hat gefragt, ob das Abendessen gleich so weit ist«, sagte er. »Ich habe ihr gesagt, dass es fertig ist.«
Banks stand auf. »Dann will ich Sie nicht länger aufhalten. Sie haben mir sehr geholfen.« Er streckte seine Hand aus.
»Warum bleiben Sie nicht zum Abendessen?«, fragte Vjeko. »Es gibt nichts Besonderes, nur sarma. Kohlrolladen. Aber wir würden uns freuen, wenn Sie mit uns essen.«
Banks blieb an der Tür stehen. Es war fast halb sieben und er hatte seit dem Mittagessen im Whitelock's nichts mehr zu sich genommen. Irgendwann würde er essen müssen. »In Ordnung«, sagte er. »Vielen Dank. Ja, ich bleibe gern.«
* II
Anstatt die
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