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Inspector Alan Banks 08 Der unschuldige Engel

Titel: Inspector Alan Banks 08 Der unschuldige Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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dass er eigentlich einen vertrauten Ton wahrnehmen müsste, auch wenn er sich in dem Moment nicht daran erinnerte, wie er klang. In seinem Haus hatte es nie eine solche Totenstille gegeben. Nirgendwo ist es absolut still. Außerdem lag ein merkwürdiger Geruch in der Luft. Mit Staub hatte er nach so langer Abwesenheit gerechnet, vielleicht sogar mit Schimmel. Er konnte nicht erwarten, dass Ivor oder Siobhan von nebenan für ihn das Haus putzten. Aber es roch nach etwas anderem. Eine Weile blieb er noch lauschend stehen, dann ging er ins Wohnzimmer.
      Hier sah es aus wie nach einem Flohmarkt. Jemand hatte die Bücher aus den Regalen genommen, dann die Seiten herausgerissen und auf dem ganzen Boden verteilt. Einige herausgerissene Seiten waren wellig, als wenn sie feucht gewesen und dann wieder getrocknet wären. Dazwischen lagen zerbrochene und zersplitterte CD-Hüllen. Die CDs selbst lagen vor allem auf der anderen Seite des Zimmers, wo Spuren in der Wand darauf hindeuteten, dass sie anscheinend als Frisbeescheiben benutzt worden waren. Der Bildschirm des Fernsehers war eingeschlagen. An der Wand neben der Tür standen in riesigen, krakeligen roten Buchstaben die Worte gekritzelt: »GEFÄNGNISSE SIND VIEL ZU GUT FÜR WIDERLICHE SCHEISSPERVERSE WIE DICH!«
      Owen sank die Wand hinab und ließ seinen Beutel auf den Boden fallen. Einen Augenblick lang sehnte er sich zurück in die kahle Einfachheit seiner Zelle, in die klare Ordnung des Gefängnislebens. Was er hier erlebte, war zu viel. Wie sollte er damit fertig werden?
      Tief Luft holend stieg er über die Trümmer und ging in sein Arbeitszimmer. Seine Fotos und Negative lagen zerrissen und zerschnitten überall auf dem Teppich. Keines sah so aus, als wäre es noch zu retten, nicht einmal die harmlosen Landschaften. Seine Kameras lagen daneben, die Linsen der Objektive in Spinnenwebmustern gesprungen. Auch seine Kunstbände waren aus den Regalen genommen und die Reproduktionen gleich seitenweise herausgerissen worden: Gauguin, Cézanne, Renoir, Tizian, Van Gogh, Vermeer, Monet, Caravaggio, Rubens - alle. Das alles war schon schlimm genug - jede einzelne Zerstörung war schlimm genug -, aber was er bis zum Schluss kaum wagte anzuschauen, an was er unbewusst sofort gedacht hatte, als er in die Wohnung gekommen war, war am schlimmsten von allem.
      Das Aquarium war dunkel und still; Lampen, Pumpen und Filter waren ausgeschaltet. Die Fische trieben auf der Wasseroberfläche: Danios, Guppys, Engelfische, Juwelenfische, Zebrafische, deren einst leuchtende Farben im Tode ausgebleicht waren. Es sah so aus, als hätte der Eindringling einfach ihr Lebenserhaltungssystem ausgeschaltet und sie sterben lassen. Für Owen war das der Gipfel. Törichte Rachegefühle gegen ihn selbst konnte er noch verstehen, aber eine derartige, auf harmlose, hilflose Fische gerichtete Grausamkeit ging über seine Vorstellungskraft hinaus.
      Owen lehnte sich gegen das Aquarium und schluchzte, bis er keine Luft mehr bekam, dann rannte er ins Bad und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht. Lange stand er da, umklammerte die kühlen Ränder des Waschbeckens und wartete darauf, dass er aufhörte zu zittern. Im Schlafzimmer waren die meisten seiner Sachen zerrissen oder mit einer Schere zerschnitten und über das Bett verteilt worden.
      In der Küche waren die Inhalte des Kühlschranks und der Schränke auf das Linoleum geworfen und in der Art eines Jackson-Pollock-Gemäldes verschmiert worden. Die klebrige Sauerei aus alter Marmelade, Eiern, gebackenen Bohnen, löslichem Kaffee, saurer Milch, Käsescheiben, Zucker, Teebeuteln, Butter, Reis, Sirup, Cornflakes und einem ganzen Kräuter-und-Gewürz-Ständer sah aus wie ein Spezialeffekt aus einem Horrorfilm und roch widerlicher als die Hefefabrik, in der er einmal als Student gearbeitet hatte. Das gekringelte, getrocknete Etwas oben drauf, genau in der Mitte, sah aus wie ein Scheißehaufen.
      Er wusste, dass er die Polizei rufen sollte, allein schon wegen der Versicherungsansprüche, aber die letzten Menschen, mit denen er in diesem Moment zu tun haben wollte, waren diese verfluchten Polizisten.
      Und alles sauber zu machen, brachte er jetzt auch nicht über sich.
      Stattdessen beschloss er, seinen ersten Tag in Freiheit zu beenden. Es war zwar erst ungefähr neun Uhr und gerade dunkel geworden, doch Owen fegte die zerrissenen und zerschnittenen Sachen von seinem Bett, vergrub sich unter den Decken und zog sie über den

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