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Inspector Alan Banks 08 Der unschuldige Engel

Titel: Inspector Alan Banks 08 Der unschuldige Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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ähnelte, der sich verlaufen hatte, als er vorbeikam, um mit ihr zu reden. Als sie ihm die entscheidende Frage gestellt hatte und er behauptet hatte, er würde sie ehrlich beantworten, hatte sie ihm geglaubt. Jetzt sah es so aus, als hätte er sie angelogen. Wie konnte sie sich jemals wieder einer Sache sicher sein? Oder eines Menschen? Selbst Daniel?
      In der Umgebung des Inchcliffe-Mausoleums war es warm und ruhig, man hörte nur das Summen der Insekten und hin und wieder ein Auto, das auf der Kendal Road oder der North Market Street vorbeifuhr. Der Blick des Engels war noch immer gen Himmel gerichtet. Rebecca hätte gern gewusst, was er dort sehen konnte.
      Da sie dieses Mal nüchtern war und sich ein wenig befangen fühlte, traute sie sich kaum, laut zu sprechen. Doch während sie dastand und sich dumm vorkam, nahmen ihre Gedanken langsam Gestalt an.
      Die Polizei hatte behauptet, dass Owen Pierce ein weiteres Mädchen umgebracht hätte. Das bedeutete, sie glaubten, dass er auch Deborah Harrison ermordet hatte. Jetzt, wo die Öffentlichkeit vollständig gegen ihn aufgebracht war, dachte Rebecca, gab es kein Entkommen mehr für ihn.
      Aber erst am Samstagnachmittag hatte er sie im Pfarrhaus besucht, seine Unschuld beteuert und von seinem Bedürfnis nach Unterstützung und Verständnis gesprochen. Sie kam nicht darüber hinweg, wie überzeugt sie gewesen war. Verhielt sich so ein Mensch, der später in der Nacht ein junges Mädchen überfallen und ermorden wollte? Rebecca konnte es nicht glauben. Aber was wusste sie schon? Wissenschaftler hatten Studien über solche Menschen gemacht, Serienmörder wurden sie genannt, auch wenn Rebecca nicht wusste, ob Owen mit dem Mord an zwei Menschen bereits in diese Kategorie fiel.
      Allerdings hatte sie schon genug Fernsehsendungen über Psychopathen gesehen, um zu wissen, dass manche von ihnen absolut charmant erscheinen und jenseits ihrer Mordgelüste ein ganz normales Leben führen konnten. Ted Bundy zum Beispiel war ein gut aussehender und intelligenter Mann gewesen, der in Amerika Gott weiß wie viele junge Frauen umgebracht hatte. Vorsicht vor dem netten, freundlichen und höflichen Nachbarsjungen, schien die Botschaft zu lauten, nicht vor dem verwahrlosten Mann mit dem unwirschen Blick, der allein in seiner Ecke Selbstgespräche führt.
      Eine Fliege ließ sich auf ihrem nackten Unterarm nieder, und einen Moment lang starrte sie auf ihren glänzenden blaugrünen Körper, bevor sie sie verscheuchte. Dann schaute sie wieder hinauf zum Engel. Wenn doch wenigstens er ihr Klarheit verschaffen könnte!
      Vielleicht hatte die Polizei Owen Pierce aber auch nur deshalb verhaftet, weil sie immer noch glaubte, dass er Deborah Harrison ermordet hatte. Vielleicht hatten sie gar keine stichhaltigen Beweise dafür, dass er das andere Mädchen umgebracht hatte. Sie wusste nicht, warum sie sich so viele Gedanken darum machte. Schließlich war Owen im Grunde noch immer ein Fremder für sie - und eine lange Zeit hatte sie ihn ja auch für einen Mörder gehalten. Warum bedrückte es sie also derartig, wenn sich herausstellte, dass er tatsächlich einer war? Im tiefsten Inneren hatte sie das Gefühl, so dumm es auch war, dass er sie irgendwie enttäuscht hatte.
      »Warum?«, fragte sie, ganz überrascht, dass sie im Angesicht des Engels plötzlich doch laut sprach. »Kannst du mir sagen, warum ich mir solche Gedanken mache?«
      Aber sie erhielt keine Antwort.
      Einen Teil der Antwort kannte sie bereits. Mit Owen zu sprechen, ihn unter ihre Fittiche zu nehmen, war eine Prüfung für sie gewesen. In gewisser Weise hatte seine Anwesenheit ihren Glauben und ihre christlichen Gefühle herausgefordert. Wenn es um das Christentum ging, dann war Rebecca - im Gegensatz zu den kaltherzigen Theologen, die einige der Pfarrer waren, die sie kennen gelernt hatte - durch und durch Humanistin. Vielleicht erwartete uns im Himmel ein besseres Leben, aber für Rebecca war das Christentum bedeutungslos, wenn es die Menschen und das Hier und Jetzt vergaß. In ihren Augen hatte der Glaube keinen Sinn ohne Nächstenliebe und Mitgefühl. Religion war nichts, wenn sie sich vollständig auf das Leben nach dem Tode konzentrierte. Daniel war der gleichen Überzeugung. Deswegen hatten sie sich auch so gut verstanden. Bis zum letzten Jahr.
      »Warum erzähle ich dir das?«, fragte sie den Engel. »Was weißt denn du vom Leben auf der Erde? Was will ich von dir? Kannst du mir das

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