Inspector Alan Banks 08 Der unschuldige Engel
versucht.«
»Würden Sie es versuchen?«
Alf zuckte mit den Achseln.
»Sergeant«, sagte Stott, »gehen Sie los und versuchen Sie, so schnell wie möglich einen Polizeizeichner zu holen, ja? Ich werde hier warten.«
Allein dafür, Sergeant Hatchleys Gesicht zu sehen, als er hinaus in den Regen trottete, lohnte es sich, den abgestandenen Rauch und den Biergestank im Nag's Head noch eine Weile zu ertragen.
* II
Sie hatten schon in jeder erdenklichen Stellung Liebe gemacht: von der Seite, von hinten, von vorne, verkehrt herum. Außerdem hatten sie es an ungefähr jedem Ort getan, den man sich denken konnte: in ihrem Bett, in seinem Bett, in Hotelzimmern, auf einem Feld, in der Enge seines Orions, vor einer Mauer, unter dem Küchentisch. Manchmal schien es eine Ewigkeit zu dauern, manchmal war es schon vorbei, noch ehe es richtig begann. Manchmal dauerte das Vorspiel so lange, dass Rebecca glaubte, innerlich zu zerreißen, manchmal wurden sie von ihrem Trieb übermannt und fielen übereinander her und hatten nicht einmal Zeit, sich vollständig auszuziehen.
Dieses Mal war es eilig gewesen. Danach lag Rebecca auf dem Bett eines Hotelzimmers in Richmond und rang völlig verschwitzt nach Atem. Ihr Rock war um die Taille aufgebauscht, ihre Unterhose hing um einen nackten Knöchel, ihre Bluse war offen, ein paar Knöpfe waren in der Hitze des Gefechts abgerissen und ihr Büstenhalter war hochgeschoben und ihre Brüste entblößt.
Patricks Kopf lag neben ihrer Schulter. Sie konnte seinen warmen Atem auf ihrer Haut spüren. Beiden pochte das Herz. Rebecca legte eine Hand auf seine kräftige Schulter und streichelte mit der anderen das Haar über seinem Ohr. Sie fühlte die Stoppeln in seinem Nacken, wo das Haar vor kurzem geschnitten worden war. Ihr war absolut klar, dass das keine Liebe war. Aber es war ein verdammt guter Ersatz.
Aber wie jedes Mal nach dem Sex mit Patrick begann schnell das Schamgefühl und eine Melancholie wie ein dichter Nebel aufzuziehen und sie, die noch vor wenigen Augenblicken in himmlischer Wonne bis in die letzte Faser erregt gewesen war, zu betäuben. Das schlechte Gewissen begann ihre Freude zu verdrängen.
Patrick drehte sich weg und griff nach seinen Zigaretten. Dass er nach dem Sex rauchte, war das Einzige, was ihr nicht an ihm gefiel; sie hatte aber noch nicht den Mut gehabt, ihn zu bitten, es zu unterlassen. Außerdem setzte er seine Brille auf. Obwohl sie wusste, dass er ohne sie nichts sehen konnte, musste sie manchmal lachen, weil er so komisch aussah, wenn er nackt war und nur die Brille aufhatte.
»Was ist?«, fragte Patrick. Er spürte, dass etwas nicht stimmte. »Hat es dir nicht gefallen?«
»Doch, natürlich. Das weißt du genau. Es gefällt mir immer ... mit dir. Nein ... es ist nur, dass ... ich mich so verdammt schuldig fühle.«
»Dann verlasse ihn. Komm zu mir.«
»Sei nicht töricht, Patrick. Stell dir nur einmal den Skandal vor: Lehrer zieht mit der Frau des Pfarrers zusammen! Du würdest sofort deinen Job verlieren. Und wo sollen wir wohnen?«
»Ach, sei nicht so fantasielos. Wir würden es schon hinkriegen. Wir würden eine Wohnung in der Stadt nehmen. Ich kann einen anderen Job bekommen. Oder wir ziehen weg.«
Rebecca schüttelte den Kopf. »Nein, nein, nein.«
»Warum nicht? Liebst du mich nicht?«
Rebecca antwortete nicht.
»Du liebst mich nicht, stimmt's?«, beharrte er.
»Natürlich liebe ich dich«, log Rebecca. So war es einfacher.
»Dann verlasse ihn.«
»Das kann ich nicht.«
»Du liebst ihn nicht.«
»Das ... das ... weiß ich nicht.« Doch Rebecca liebte Daniel. Irgendwo in ihrem Inneren, das wusste sie, war das Gefühl noch da. Zwar angeschlagen und halb aufgelöst, aber es war noch da. Das konnte sie Patrick nicht erklären.
»Ich sollte dir das nicht erzählen, aber ...«
Rebecca spürte, wie bei diesen Worten ein Schauer über ihren Rücken lief, der nichts mit ihrem Sex zu tun hatte. »Ja?«, hauchte sie. »Was denn?«
»Gestern Abend war dein Mann bei mir.«
»Daniel war bei dir? Weshalb?«
»Er wollte mit mir reden.«
Rebecca richtete sich auf. Schnell zog sie ihren BH und ihren Rock herunter, um sich zu bedecken, und hielt, so gut sie konnte, ihre Bluse zusammen. »Worüber?«, wollte sie wissen. Sie fühlte sich verlegen und dumm.
»Über uns.« Patrick schnippte seine Asche in den Aschenbecher auf dem
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