Inspector Alan Banks 09 Das blutige Erbe
Opfer um Jason Fox handelt. Niemand, außer seine Mörder natürlich. Erst einmal auf Wiedersehen, Mr. Motcombe. Wir werden sicherlich bald wieder miteinander zu tun haben.«
* SIEBEN
* I
Es-war schon lange her, dass Frank einen Anzug getragen hatte, und die Krawatte schien ihm den Hals zuzuschnüren. Auf das Wetter war Verlass, pünktlich zur Beerdigung klarte es auf. Es war wieder Altweibersommer, die warme Luft war mit diesem süßen, rauchigen Hauch des herbstlichen Verfalls versetzt, die Sonne schien, kein Wind wehte. Und er saß auf der Rückbank des Wagens neben seiner Tochter Josie, die ganz in Schwarz gekleidet war und auf deren Stirn trotz des geöffneten Fensters der Schweiß perlte.
Die Fahrt von Lyndgarth, wo ihn Steven abgeholt hatte, nach Halifax dauerte lange. Und kaum hatte man Skipton hinter sich gelassen, wurde die Strecke zudem eine verdammt hässliche, dachte Frank, als sie durch Keighley fuhren, vorbei an diesen dunklen, teuflischen Fabriken.
Er hatte sich gefragt, warum sie den Jungen nicht einfach in Eastvale begraben konnten und es damit gut sein ließen; doch Josie hatte auf die Verbindungen von Stevens Familie zur St. Lukes Kirche hingewiesen, wo seine Vorfahren seit Jahrhunderten begraben worden waren. Scheiß auf diesen Nichtsnutz und seine Vorfahren, dachte Frank, aber er hielt den Mund.
Während der Fahrt wurde kaum gesprochen. Josie schniefte hin und wieder leise und hielt ein weißes Taschentuch vor ihre Nase, Steven - der trotz all seiner Unzulänglichkeiten ein guter Fahrer war - konzentrierte sich auf die Straße, und Maureen saß steif mit verschränkten Armen neben ihm und schaute aus dem Fenster.
In Frank kamen Erinnerungen hoch: Jason, vier oder fünf Jahre alt, unten an den Leas, den Flussauen, an einem Frühlingsnachmittag, ganz aufgeregt, weil er mit einem Netz aus einer alten Gardine und einem dünnen Stock seinen ersten Stichling gefangen hat. Die beiden beim Eiskaufen an einem warmen, windstillen Sommertag in dem kleinen Laden mitten im Nirgendwo am Hang des Fremlington-Berges, das schmelzende, über ihre Hände tropfende Eis. Ein Herbstspaziergang auf einem Weg nahe Richmond, Jason, der vorneweg läuft und die Laubhaufen aufwirbelt, das Rascheln, wenn er durch die Blätter pflügt. Die beiden frierend im Schnee in Ben Rhydding, wo sie zuschauen, wie die Skifahrer das Ilkley Moor hinabgleiten.
Was auch immer aus Jason geworden war, dachte Frank, er war einmal ein unschuldiger Junge gewesen, genauso gebannt und ergriffen von den Wundern der Natur und der Menschheit wie jedes andere Kind. So werde ich ihn in Erinnerung behalten, sagte er sich, nicht den verdrehten, törichten Menschen, der Jason geworden war.
Sie erreichten das Bestattungsunternehmen am Stadtrand von Halifax ein wenig zu früh. Frank wartete draußen und beobachtete den vorbeirauschenden Verkehr. Die dünne Luft in den Beerdigungsinstituten hatte er noch nie ertragen können, genauso wenig den Gedanken an all die Leichen in den Särgen, an die Schminke auf ihren Gesichtern und das Formaldehyd in ihren Adern. Jasons Gesicht, vermutete er, würde eine Menge kosmetischer Zuwendung benötigt haben.
Schließlich war der Leichenzug fertig. Alle vier drängten sich in die elegante schwarze Limousine des Instituts und folgten dem Leichenwagen durch die mit dunklen Steinhäusern gesäumten Straßen zum Friedhof. In der Ferne schauten zwischen den Bergen die hohen Fabrikschornsteine hervor.
Nach einem kurzen Gottesdienst strömten alle hinaus für die Zeremonie am Grab. Frank lockerte seine Krawatte, damit er etwas leichter atmen konnte. Der Pfarrer sprach mit monotoner Stimme: »In der Mitte des Lebens sind wir im Tod: Bei wem finden wir Trost, wenn nicht bei Dir, o Herr, wer sonst vergibt uns unsere Sünden? Nur Du kennst, o Herr, die Geheimnisse unserer Herzen ...« Eine Fliege, die wohl irrigerweise annahm, es wäre immer noch Sommer, summte vor seinem Gesicht herum. Er verscheuchte sie.
Steven trat einen Schritt vor, um eine Hand voll Erde auf den Sarg zu werfen. Der Pfarrer fuhr fort: »Sosehr es den allmächtigen Gott in seiner unermesslichen Gnade erfreut, die Seele unseres verstorbenen, lieben Bruders zu empfangen ...« Josie hätte die Erde werfen sollen, dachte Frank. Steven war nie gut mit dem Jungen ausgekommen. Josie hatte ihren Sohn wenigstens einmal geliebt, bevor sie sich auseinander gelebt hatten, und sie musste noch immer Mutterliebe
Weitere Kostenlose Bücher