Inspector Alan Banks 10 In einem heißen Sommer
fragte er.
»Keine Ahnung, Mann. Frag doch mal die Runzeln auf der anderen Seite. Die wohnen hier schon seit der Steinzeit.« Er wies auf das mittlere Reihenhaus direkt gegenüber. Ein Spiegelbild. Banks bemerkte schon, wie jemand hinter den mottenzerfressenen Vorhängen hervorspähte.
»Danke«, sagte er. Annie folgte ihm über die Straße.
»'Ich rieche Frischfleisch«, sagte einer der drei auf der Haustreppe, als sie vorbeigingen. Die anderen lachten. Einer zog die Nase hoch und rotzte geräuschvoll.
Nachdem Banks und Annie ihre Dienstausweise zur Begutachtung vor den Briefschlitz gehalten hatten, wurde der Riegel zurückgeschoben und die Kette abgehängt und ein buckliger Mann um die siebzig öffnete die Tür. Er hatte eine eingefallene Brust, tief liegende Augen, ein schmales, zerfurchtes Gesicht und lichtes schwarzgraues Haar, das mit Massen von Pomade am Schädel klebte. Das Glitzern bösartigen Selbstmitleids, das denen eigen ist, die im Leben ein paarmal zu oft auf die Schnauze gefallen sind, war noch nicht vollständig aus seinen wässrigen Augen gewichen -einige Volt Empörung und Schmach waren noch vorhanden.
Nachdem er sich vergewissert hatte, dass er hinter sich abgesperrt hatte, schlurfte er ihnen voran. Alle Fenster waren geschlossen, die meisten Vorhänge zugezogen. Im Wohnzimmer herrschte eine Atmosphäre wie in einem warmen, vollgestopften Beerdigungsinstitut; es stank nach Zigarettenrauch und schmutzigen Socken.
»Worum geht's denn?« Der Alte ließ sich auf eine durchgesessene Cord-Couch fallen.
»Um die Vergangenheit«, antwortete Banks.
Eine Frau kam aus der Küche. Sie war ungefähr im gleichen Alter, wirkte aber, als habe sie sich besser gehalten. Jedenfalls hatte sie etwas mehr Fleisch auf den Knochen.
Der alte Mann nahm Zigaretten und Feuerzeug von der fadenscheinigen Armlehne des Sofas und zündete sich hustend eine an. Das hält die Zukunft für uns Raucher bereit, wenn wir nicht aufhören, dachte Banks düster und entschied, dem Mann im Moment keine Gesellschaft zu leisten.
»Polizei, Elsie«, sagte der Mann.
»Kommt endlich einer wegen dieser Rowdys vorbei?«, fragte sie.
»Nein«, antwortete ihr Mann und runzelte verdutzt die Stirn. »Sie meinen, es wär wegen der Vergangenheit.«
»Tja, gut, damit kennen wir uns aus«, sagte sie. »Tasse Tee?«
»Gerne«, sagte Banks. Annie nickte.
»Nehmen Sie doch Platz. Übrigens, ich bin Mrs. Patter-son. Nennen Sie mich Elsie. Und das hier ist mein Stanley.«
Stanley beugte sich vor und hielt ihnen die Hand hin. »Nennen Sie mich Stan«, sagte er zwinkernd. Elsie ging in die Küche, um Tee zu kochen. »Das Gesocks von der anderen Straßenseite haben Sie schon kennengelernt?«, fragte Stanley mit einer Kopfbewegung nach draußen.
»Allerdings«, erwiderte Banks.
»Er hat angedroht, seine Frau zu schlagen«, sagte Annie. »Haben Sie schon einmal Anzeichen dafür bemerkt, Mr. Patterson? Wunden oder blaue Flecken vielleicht?«
»Nee, Mädel«, sagte Stan. »Der hat nur 'ne große Klappe, der Kev. Colleen würde ihm sofort den Hals umdrehen, wenn er sie auch nur mit dem kleinen Finger berühren würde. Und sie ist auch nich seine Frau. Obwohl das heutzutage ja eigentlich egal ist. Ist nich mal sein Kind.« Er nahm einen Zug von seiner Zigarette, die keinen Filter hatte, wie Banks bemerkte, und bekam einen Hustenanfall. Als er nachließ, hatte er ein rotes Gesicht und seine Brust hob und senkte sich, »'tschuldigung«, sagte er und klopfte sich auf die Brust. »Die jahrelange Schufterei in den schmutzigen Fabriken. Eigentlich müsste ich die Schweine verklagen.«
»Wie lange wohnen Sie schon hier?«, erkundigte sich Banks.
»Seit einer Ewigkeit. Kommt mir jedenfalls so vor«, sagte Stan. »War immer schon eine schlimme Gegend, auch damals schon, aber als wir herzogen, war es gar nicht so schlecht hier. Hatten Glück hiermit, damals.« Er rauchte und hustete wieder.
Elsie kam mit dem Tee zurück. Etwas Kaltes wäre wohl sinnvoller gewesen, dachte Banks, aber man nahm, was angeboten wurde.
»Stan sagte gerade, Sie wohnen schon sehr lange hier«, sagte Banks zu ihr.
Sie goss den Tee in schwere weiße Tassen. »Seit unserer Hochzeit«, erwiderte sie. »Na ja, zuerst haben wir ein paar Monate bei Stans Eltern in Pontefract gewohnt, stimmt's, Schatz, aber dies war unser erstes gemeinsames Haus.« Sie setzte sich neben ihren Mann.
»Und
Weitere Kostenlose Bücher