Inspector Alan Banks 10 In einem heißen Sommer
nicht gesagt. Sagen wir einfach, ich hab so meine Vorbehalte. Vergiss nicht, unter welchen Umständen ich hier arbeiten soll.«
»Nein, nein. Was für Vorbehalte hast du?«
»Wutausbrüche beim Stress-Syndrom sind normalerweise ziemlich irrational. Wenn du eine Verbindung zum Verhalten seiner Frau herstellst, wird alles viel logischer, verstehst du? Ursache und Wirkung.«
»Ja.«
»Die andere Sache ist: Wenn er distanziert war und nicht mehr lieben konnte, woher sollte dann der Hass kommen ? Oder die Eifersucht?«
»Also: Ja oder nein?«
»Oh nein, so einfach kriegst du mich nicht. Natürlich hätte er einen Mord begehen können. Das passiert alle Nase lang, oft ganz ohne Grund. Ja, er könnte davon gehört haben, dass es seine Frau mit einem anderen treibt, und er könnte sie deswegen billigerweise gehasst haben und sie loswerden wollen. Er könnte es aber auch einfach bei einem irrationalen Wutausbruch getan haben, ohne bestimmten Grund.«
»Der Täter hat die Frau wohl zuerst erdrosselt, bis sie zumindest bewusstlos war, dann hat er ungefähr fünfzehn oder sechzehn Mal zugestochen.«
»Starke Wut. Ich weiß nicht, Alan. Von dem, was du mir über diesen Mann erzählt hast und was ich über das posttraumatische Stress-Syndrom weiß, würde ich sagen, dass sein Schmerz und seine Wut nach innen gerichtet waren, nicht nach außen auf die Welt. Obwohl ich es nicht ausschließen möchte, gehe ich vielleicht auf Nummer sicher, wenn ich sage, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass er aus diesem Grund auf diese Weise mordete. Aber es ist schwer, über jemanden zu urteilen, den man noch nie gesehen hat, mit dem man nie hat sprechen können. Außerdem ist es oft sehr einfach, sich einen Geistesgestörten als wahrscheinlichsten Mörder auszusuchen. Die meisten Geisteskranken täten keiner Fliege was zuleide. Nicht alle, das will ich nicht sagen - es gibt ein paar wirklich kranke Jungs da draußen, die das sehr gut verstecken können -, aber die klaren Fälle sind meistens harmlos. Traurig und jämmerlich vielleicht, manchmal sogar ein bisschen angsteinflößend, aber kaum gefährlich.«
»Danke. Da hab ich eine Menge zum Nachdenken.«
»Hm, ich bin froh, dass ich überhaupt noch jemandem helfen kann.«
Beide saßen schweigend da und tranken bedächtig den Rest aus ihren Gläsern. Banks dachte über das Leiden Matthew Shackletons nach und darüber, was Jenny über seine Entfremdung, seine Distanzierung zur Welt normaler zwischenmenschlicher Beziehungen gesagt hatte. Vielleicht hatte ihn das zum Mörder gemacht, vielleicht aber auch nicht. Wenn man keine Liebe empfinden konnte, warum sollte man dann Hass fühlen? Als Banks von Sandra und Sean erfuhr, hatte er beide gehasst, weil er Sandra noch liebte. Wenn sie ihm egal gewesen wäre, hätte er nicht so leidenschaftlich reagiert. Jetzt wurden die Gefühle schwächer. Er war sich nicht mehr sicher, ob er Sandra noch liebte. Wenigstens versuchte er, sich ein Leben ohne sie aufzubauen, entdeckte und erfand sich neu. Wenn sie morgen ankommen und ihn bitten würde, sie zurückzunehmen, wüsste er ehrlich gesagt nicht, was er tun würde.
»Ich bin zusammengebrochen, verstehst du?«, sagte Jenny unvermittelt und riss ihn aus seinen Gedanken.
»Du bist was?«
Sie spielte mit ihrem Haar. Mehrere Ausdrücke kämpften um die Vorherrschaft in ihrem Gesicht. Ein schiefes Grinsen geWann. »Ich hatte einen Nervenzusammenbruch. Nach dem ganzen Kram mit Randy. Plötzlich war ich ganz allein da hinten, völlig abgeschnitten von allen Dingen und Menschen, mit denen ich aufgewachsen war, allein in einem fremden Land. Das ist eins der beängstigendsten Gefühle, das ich je erlebt habe. Ich meine, die sprechen da ungefähr dieselbe Sprache und so, aber dadurch wird alles nur schlimmer, es ist wie eine Verarschung von allem, was man kennt. Ich drücke mich nicht deutlich aus ... Ich kam mir vor wie auf einem anderen Planeten, auf einem feindseligen, und ich konnte nicht nach Hause. Ich bin zusammengebrochen.« Sie lachte. »Kennst du das Lied? >I Fell to Pieces«
»Schon mal gehört«, sagte Banks, der Country & Western mied wie der Teufel das Weihwasser.
»Na ja, so war das.« Sie schüttelte langsam den Kopf. »Ich bin sogar zu einem Psychologen gegangen.«
»Hat's geholfen?«
»Ein bisschen. Dabei ist mir unter anderem klar geworden, dass ich zurück nach Hause wollte. Ich meine, deshalb war ich nicht
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