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Inspector Alan Banks 10 In einem heißen Sommer

Titel: Inspector Alan Banks 10 In einem heißen Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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Persönlichkeit getroffen, wie Vivian Elmsley sie hier geschaffen hatte. Vielleicht hatte er den damaligen Tätern nur nicht tief genug ins Herz geblickt. Das Vernehmungszimmer der Polizei war nicht der beste Ort, um jemanden kennen zu lernen, und Banks hatte sich eher um ein Geständnis bemüht als um den Aufbau einer persönlichen Beziehung. An dem Punkt klafften das wahre Leben und das fiktive auseinander, dachte er; das erste ist unordentlich und unvollständig, das andere geordnet und abgeschlossen.
      Kurz vor Peterborough hatte Banks das Buch ausgelesen. Annie hatte die Augen geschlossen, hielt ein Nickerchen oder meditierte. Durch die Scheibe betrachtete er die wenig anregende Landschaft seiner Kindheit: eine Ziegelei, eine Schule aus rotem Backstein, unbebaute Abschnitte voller Unkraut und Schutt. Selbst der Turm der wunderschönen normannischen Kathedrale hinter dem Einkaufszentrum konnte ihn nicht inspirieren. Kreischend kam der Zug zum Stehen.
      Damals war die Stadt natürlich nicht so inspirationslos gewesen; seine Phantasie hatte auch noch dem trübseligsten Winkel eine magische Bedeutung verliehen. Die Schutthalden waren Schlachtfelder, auf denen die Jungen die großen Schlachten der zwei Weltkriege nachspielten, als Gewehre dienten Äste oder Stöcke, voller Wonne stachen sie den Gegner mit dem Bajonett nieder. Selbst wenn Banks alleine spielte oder im Fluss Nene angelte, konnte er sich ohne weiteres vorstellen, dass er ein Ritter aus Arthurs Tafelrunde war. Das hatte auch Adam Kelly in Hobb's End getan, als seine Phantasiewelt plötzlich Wirklichkeit wurde.
      Der Zug verließ den Bahnhof von Peterborough, und Banks dachte an seine Eltern, die weniger als zwei Kilometer entfernt wohnten. Er sah auf die Uhr. Um diese Zeit trank seine Mutter wohl ihren milchigen Instantkaffee und las die 'neueste Ausgabe einer Frauenzeitschrift, sein Vater hielt bestimmt leise schnarchend sein morgendliches Nickerchen, die Füße auf dem grünen Velours-Polster, die Zeitung auf dem Schoß ausgebreitet. Jeden Tag dasselbe. So war es, seit sein Vater 1982 seine Stelle als Stahlarbeiter verloren hatte und seine Mutter zu alt und müde wurde, um weiter die Häuser anderer Leute zu putzen. Banks dachte an die Enttäuschung und Bitterkeit, die ihr Leben getrübt hatten, an die Probleme, zu denen er sicherlich ebenso beigetragen hatte wie Margaret Thatcher. Aber ihre Enttäuschung hatte auch ihn zeitweise befallen. Wie gut er etwas auch machte, es war nie gut genug.
      Obwohl Banks sich »verbessert« hatte - er hatte eine sichere Stelle, eine verlässliche Einkommensquelle und gute Aufstiegschancen -, missfiel seinen Eltern, dass er zur Polizei gegangen war. Sein Vater wurde nie müde, auf der traditionellen Feindseligkeit zwischen Arbeiterklasse und Polizei herumzureiten. Als das Überfallkommando der Polizei im . Streik von '84 Überstunden machte und die streikenden Bergarbeiter verhöhnte, indem es ihnen mit zusammengerollten Fünf-Pfund-Noten winkte, hatte er Banks beschuldigt, »der Feind« zu sein, und ihn zur Kündigung zu überreden versucht. Ihm war vollkommen egal, dass Banks bei der Londoner Polizei im Rauschgiftdezernat arbeitete und mit dem Ärger oben im Norden nichts zu tun hatte. Für seinen Vater war das einfach: Die Polizisten waren nichts anderes als Maggies Schlägertruppe, die Vollstrecker der ungeliebten Regierungspolitik, die Unterdrücker der Arbeiter.
      Banks' Mutter für ihren Teil sah das Ganze viel praktischer und gab Geschichten über geschiedene Polizistenehen zum Besten, die sie irgendwo aufgeschnappt hatte. Polizist zu werden sei keine gute Entscheidung für einen Familienvater, wurde sie nie müde, ihm zu sagen. Und obwohl er und Sandra sich erst nach mehr als zwanzig Jahren trennten - und eine an modernen Verhältnissen gemessen relativ problemlose Ehe geführt hatten - fühlte seine Mutter eine große Genugtuung, letztendlich bestätigt worden zu sein.
      Und das war das große Problem, dachte Banks, während die Stadt hinter ihm kleiner wurde. Er hatte nie irgendetwas richtig machen können. Wenn anderen Kindern etwas Schlimmes zustieß, ergriffen deren Eltern normalerweise Partei für sie, aber wenn Banks etwas passierte, war er selbst schuld. So war es schon immer gewesen, seit seinen ersten Schnittwunden und blauen Flecken von Raufereien auf dem Schulhof, immer war er es gewesen, der angefangen haben musste, auch wenn es nicht stimmte. Wenn er in Ausübung seines Berufs

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