Inspector Alan Banks 10 In einem heißen Sommer
zwei und von ihrer Seite kommt überhaupt kein positives Zeichen. Ich hab irgendwie aufgegeben. Das mit Sean tut mir Leid. Schade, dass ihr nicht miteinander auskommt.«
»Er ist ein Wichser.«
»Hm, tja ... Hör mal, wenn du mal ein bisschen Zeit hast, warum kommst du dann nicht mal in Gratly vorbei? Du kannst mir am Cottage helfen. Du hast es noch gar nicht gesehen. Wir können zusammen lange Spaziergänge machen. Weißt du noch, früher? Semerwater? Langstrothdale? Hardraw Force?«
»Weiß nicht«, sagte Brian und schob sein Haar nach hinten. »In der nächsten Zeit haben wir echt eine Menge zu tun.«
»Egal wann. Du musst ja jetzt kein Datum nennen. Ist eine unbegrenzte Einladung. Okay?«
Brian sah von seinem Bier auf und verzog seinen Mund zu einem schiefen Lächeln, das Banks immer so sehr an seinen eigenen Vater erinnerte. »Gut«, antwortete er. »Würd ich gern machen. Abgemacht. Sobald wir ein paar Tage Ruhe haben, steh ich bei dir auf der Matte.«
Wie um Brians Worte zu unterstreichen, durchschnitten ein Basston und ein Trommelwirbel das Gebrummel der Gespräche. Er sah auf. »Ich muss, Dad«, sagte er. »Bist du gleich noch da?«
»Glaub nicht«, erwiderte Banks. »Ich muss noch was erledigen. Ich bleib noch für ein paar Stücke, gehe aber vielleicht, bevor ihr Schluss macht. War toll, dich zu sehen. Und fühl dich eingeladen. Denk an mein Angebot. Ich hab immer ein Bett für dich frei, solange du willst.«
»Danke, Dad. Wie sagt man noch mal? Zu Hause ist der Ort, wo man dich aufnehmen muss. Wenn ich nur wüsste, wo meins ist. Mach's gut!«
Banks streckte die Hand aus und Brian ergriff sie. Schuldbewusst sah er auf die Uhr. Ein paar Lieder konnte er noch hören, bevor er sich davonstahl, um pünktlich bei Annie zu sein.
***
Eines Tages kam Gloria zu mir und fragte, ob es mir etwas ausmachen würde, das Geschäft für eine Stunde zu schließen und mit ihr zu kommen. Sie sah blass aus und hatte sich nicht die sonst übliche Mühe mit ihrem Aussehen gegeben.
Es war Anfang Mai, das weiß ich noch, die Sache war so gut wie gelaufen. Hitler war tot, die Russen hatten Berlin eingenommen und die deutschen Truppen in Italien hatten sich ergeben. Jetzt waren die Tage bis zum Ende gezählt.
Ich schloss das Geschäft, wie sie mich gebeten hatte, und wir machten einen Spaziergang nach Rowan Woods, verließen die Straße und wanderten durch das von den jungen Blättern gefilterte grüne Licht. Die Waldblumen standen in Blüte, hier und da Glockenblumenpolster, Wildrosen, Veilchen und Schlüsselblumen. Die Vögel sangen, die Luft war erfüllt vom Geruch wilden Knoblauchs. Hin und wieder konnte ich einen Kuckuck in der Ferne rufen hören.
»Ich weiß nicht, was ich mit ihm machen soll, Gwen«, sagte sie und rang, den Tränen nahe, mit den Händen. »Egal, wie ich auch versuche, an ihn heranzukommen, es nützt nichts.«
»Ich weiß«, sagte ich. »Wir müssen einfach Geduld haben. Lass den Arzt seine Arbeit tun. Die Zeit heilt alle Wunden.« Doch noch während ich das sagte, spürte ich die Abgedroschenheit und Unangemessenheit meiner Worte.
»Dir kann es ja egal sein. Du bist nicht mit ihm verheiratet.«
»Gloria! Er ist mein Bruder!«
Sie legte mir die Hand auf den Arm. »Oh, es tut mir Leid, Gwen, so habe ich das nicht gemeint. Ich bin einfach zu verwirrt. Aber es ist nicht dasselbe. Er schläft jetzt immer auf dem Sofa, wenn er aus dem Pub nach Hause kommt.«
»Du meinst doch nicht... ich meine, er schläft nicht...?«
»Seit er wieder da ist, nicht mehr. Gwen, das ist ungerecht! Ich weiß, ich bin egoistisch, aber das ist nicht der Mann, den ich geheiratet habe. Ich lebe mit einem Fremden. Es wird langsam unerträglich.«
»Willst du ihn verlassen?«
»Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich glaube, ich kann es nicht. Brad bedrängt mich immer noch, ich soll mit ihm nach Amerika kommen, sobald er den neuen Einsatzbefehl bekommt. Er meint, er muss vielleicht zuerst raus in den Pazifik - da ist der Krieg noch nicht vorbei -, aber er sagt, er lässt mich nachkommen. Stell dir das vor, Gwen: Hollywood! Ein neues Leben in der Sonne unter Palmen in einem fernen, magischen Land. Ein junger, gesunder, hübscher, kräftiger Mann, der mich abgöttisch liebt. Reichtum und Wohlstand ohne Ende! Vielleicht werde ich sogar Filmstar. Da drüben geht das auch bei normalen Leuten wie dir und mir, weißt
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