Inspector Alan Banks 10 In einem heißen Sommer
unwiederbringliche Verschwinden von Graham Marshall gewesen, das ihm bis zu Jems Tod einige Jahre später am stärksten zu schaffen gemacht hatte. Auf gewisse Weise waren es seine Neugier und seine unerklärlichen Schuldgefühle, die Jahre später zu dem Entschluss führten, zur Polizei zu gehen.
Abgesehen von den geringfügigen Aufgaben und Nebensächlichkeiten der Polizeiarbeit, war Banks davon besessen, so viele Schinder wie möglich zu Fall zu bringen. Waren die Opfer tot, konnte er sie natürlich nicht mehr beschützen, aber er konnte schon noch herausfinden, was ihnen zugestoßen war, und die Verantwortlichen vor Gericht bringen. Das war nicht narrensicher; es funktionierte nicht immer; aber mehr konnte er nicht tun. Diese Einstellung musste er wiedererlangen, sonst konnte er genauso gut seine sieben Sachen packen und bei einem dieser privaten Sicherheitsdienste anheuern.
Er ging wieder an seinen Schreibtisch und setzte sich. Als er Gloria in ihrer Pose erneut betrachtete - schön, erotisch, sinnlich und verspielt, aber gleichzeitig herausfordernd und spöttisch, als wisse sie etwas über den Maler oder teile ein Geheimnis mit ihm - hatte er das Gefühl, in diesem Fall Wieder gefordert zu sein. Er war überzeugt, dass Gloria Shackleton das Opfer war, das sie in Hobb's End gefunden hatten, und er wollte wissen, wie sie gewesen war, was mit ihr passiert war und warum sie niemand vermisst gemeldet hatte. Glaubten die anderen einfach, sie habe sich in Luft aufgelöst, sei von Aliens entführt worden oder so? Der Schinder, der sie umgebracht hatte, mochte inzwischen tot sein, aber das war Banks schnurzegal. Er musste es wissen.
Dr. Glendennings Anruf riss ihn aus seinen Gedanken.
»Ah, Banks«, sagte er. »Gut, dass ich Sie erwische. Sie können von Glück sagen, dass ich gerade in Leeds bin, ja? Sonst hätten Sie lange auf ihre Autopsie warten können. Eine Menge frischer Leichen buhlen um meine Aufmerksamkeit.«
»Da bin ich mir sicher. Ich entschuldige mich. In Zukunft werde ich mich bessern.«
»Das kann ich nur hoffen.«
»Was haben Sie gefunden?«
»Leider nicht viel mehr, als Ihnen schon Dr. Williams gesagt hat.«
»Also wurde sie erstochen.«
»Oh ja. Und zwar richtig bösartig.«
»Wie oft?«
»Vierzehn-, fünfzehnmal, soweit ich sehen konnte. Aber das möchte ich natürlich nicht beschwören, denn man muss den Zustand des Skeletts und die seit dem Tod verstrichene Zeit berücksichtigen.«
»War das die Todesursache?«
»Was glauben Sie eigentlich, wer ich bin, junger Mann? Ein Zauberer? Man kann nicht sagen, wodurch sie starb, auch wenn die Stichwunden ausgereicht hätten. Nach Einstichwinkel und Anordnung der Kerben zu urteilen, muss die Schneide mit Sicherheit verschiedene lebenswichtige Organe durchbohrt haben.«
»Gibt es Indizien für weitere Verletzungen?«
»Geduld, junger Mann. Ich komme schon noch darauf zu sprechen, wenn Sie sich gedulden und mich ausreden lassen. Das ist das ganze Koffein, verstehen Sie? Zu viel Kaffee. Versuchen Sie's zur Abwechslung mal mit einem netten Kräutertee.«
»Werde ich tun. Morgen. Aber sagen Sie's mir doch bitte.«
»Ich habe mögliche, und das möchte ich betonen, mögliche Anzeichen für eine manuelle Erdrosselung gefunden.«
»Erdrosselung?«
»Das sagte ich. Plappern Sie mir nicht alles nach! Wenn ich einen Papagei haben wollte, würde ich mir einen kaufen. Ich gehe vom Zungenbein im Hals aus. Nun, das ist ein sehr zerbrechlicher Knochen, der bei einer manuellen Erdrosselung fast immer bricht, aber ich habe >möglich< gesagt, weil er auch im Laufe der Zeit aus anderen Gründen gebrochen sein kann. Durch das Gewicht der Erde und des Wassers beispielsweise. Obwohl ich sagen muss, dass das Skelett in einem bemerkenswert guten Zustand war, wenn man bedenkt, wo es so lange gelegen hat.«
»Wäre es eher möglich oder wahrscheinlich?«
»Was ist der Unterschied?«
»>Eliminiert man das Unmögliche, muss das, was übrig bleibt, wie unwahrscheinlich es auch ist, die Wahrheit sein.< Sir Arthur Conan Doyle.«
Glendenning seufzte übertrieben. »Man stelle sich vor, dass der Kerl Arzt war! Nun gut, sagen wir also, dass es sicherlich nicht unmöglich, sondern sogar ziemlich wahrscheinlich ist, dass die arme Frau erdrosselt wurde. Ist Ihnen das deutlich genug?«
»Bevor sie erstochen wurde.«
»Woher soll ich denn das wissen? Ehrlich, Banks,
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